BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
herzergreifend.
Caitlin drückte die Tür hinter sich zu und sah den Anwalt fragend an.
»Ja, bitte?«
Duncan Wambaugh warf den Aktenordner achtlos auf einen Stapel, der sich neben seinem Schreibtisch türmte, und deutete auf den Stuhl gegenüber.
»Setzen Sie sich, Kindchen.«
Caitlin tat auch das.
Wambaugh lehnte sich in seinem Ledersessel zurück, legte die Fingerspitzen beider Hände gegeneinander und musterte darüber hinweg seine Sekretärin. Er tat es mit einem Blick, der so voller ernsthafter Sorge war, dass es sich dabei unmöglich um einen weiteren Trick aus »Duncan Wambaughs Zauberkiste der Emotionen« handeln konnte.
Dennoch fühlte Caitlin Appleton sich nicht davon berührt, nicht wirklich jedenfalls. Und auf einer Zwischenebene ihres Denkens beunruhigte sie eben jene Feststellung – wie so viele Dinge in der letzten Zeit, von denen sie nicht wusste, woher sie rührten, ja, nicht einmal,
worum
es sich bei diesen »Dingen« im Grunde handelte. Sie waren einfach da, unsichtbar und namenlos, aber sie waren unleugbar
in ihr
! Seit...
»Was ist los mit Ihnen, mein Kind?«
Caitlin schrak aus ihren Gedanken und versuchte ihr Erschrecken hinter Verwunderung zu verbergen. Doch damit ließ sich ein Duncan Wambaugh nicht täuschen. Ein Duncan Wambaugh ließ sich allerdings auch nicht anmerken, wenn er jemanden durchschaut hatte...
»Wie meinen Sie das, Mister Wambaugh?«
Er lächelte, gütiger und milder, als er es in seinen juristischen »Dramödien« tat.
»Sie wissen, wovon ich spreche, Caitlin«, sprach er aus, was er mit dem Blick seiner stets etwas schläfrig wirkenden Augen längst zum Ausdruck gebracht hatte.
»Tut mir leid, aber das weiß ich nicht«, erwiderte sie – verwirrt, weil sie in diesem Moment zumindest das Gefühl hatte, es tatsächlich nicht zu wissen. Als würde etwas dieses Wissen fortwischen wie ein Schwamm die Kreide von einer Tafel.
»Sie haben sich verändert, Kindchen«, wurde Duncan Wambaugh präziser. »Irgendetwas stimmt nicht mit Ihnen. Was ist geschehen? Haben Sie Probleme?«
Caitlin Appleton schüttelte den Kopf, langsam und seltsam ruckartig.
»Nein, Mister Wambaugh.«
»Sind Sie sicher? Ich meine – Sie wissen, dass Sie mit allem, was Sie bedrückt, zu mir kommen können. Duncan Wambaugh hilft in und aus jeder Situation.«
»Nicht nötig, Mister Wambaugh. Es geht mir gut. Alles ist in Ordnung.«
Alles in Ordnung, wenn ich nur tue, was er...
»
Wenn ich was...?«
Erst Wambaughs fragender Blick zeigte Caitlin, dass sie ihren Überlegungen laut nachgegangen war.
»Bitte?«, fragte er.
»Nichts, schon gut«, beeilte sich Caitlin zu sagen. »Kann ich jetzt...?«
Sie wies über die Schulter zur Tür.
Der längst im Pensionsalter stehende Anwalt nickte nachdenklich.
»Ja, gehen Sie nur. Und –«, Caitlin hielt an der Tür noch einmal inne, »– nehmen Sie sich morgen frei. Ruhen Sie sich aus. Und bringen Sie in Ordnung, was immer nicht in Ordnung ist, ja? Und wie gesagt, wenn Sie Hilfe brauchen...«
»Ich weiß. Danke, Mister Wambaugh«, fiel ihm Caitlin ins Wort, »und gute Nacht.«
Sie schloss die Tür und blieb stehen. Und hätte Duncan Wambaugh sie jetzt gesehen, so hätte er nicht nur
geahnt
, sondern hundertprozentig
gewusst
, dass etwas mit seiner Sekretärin ganz und gar nicht in Ordnung war.
Ihre Haut war mit einem mal von ungesunder Blässe, ihre Lider sanken, von einer Sekunde zur anderen scheinbar bleischwer geworden, herab.
»Was ist mit mir los?«, fragte sie sich. Die Worte rangen sich förmlich über ihre Lippen –
– und wurden bedeutungslos, kaum dass sie es geschafft hatten.
»Alles ist in Ordnung, wenn ich nur tue, was er mir aufgetragen hat. Wenn ich schütze, was er mir anvertraut hat«, flüsterte sie mit zwar fester, aber zugleich monotoner Stimme. Als hätte ihr jemand befohlen, diese Worte stets zu wiederholen, wenn ihr Zweifel kamen...
»Zweifel...?«, wunderte sie sich. »Zweifel woran...?«
Doch schon in der nächsten Sekunde begann sie von neuem: »Alles ist in Ordnung...«
Caitlin Appleton nahm Mantel und Handtasche und verließ das Bürogebäude in der Mitte des Zwanzigtausend-Seelen-Städtchens Aspen Hill, das noch im unmittelbaren Dunstkreis von Washington lag. Ihre Schritte klackten auf dem nebelfeuchten Asphalt des Parkplatzes, als sie auf ihren Kleinwagen zusteuerte.
»Caitlin.«
Die Stimme war nicht laut gewesen, trotzdem hörte Caitlin sie so deutlich, als hätte der andere ihr direkt ins Ohr
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