BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Karel nicht der war, der er zu sein vorgab. Mit allerlei Versprechungen pflegte er sie von den Höfen und aus den Dörfern ihrer Alten wegzulocken. Ein Leben im Wohlstand malte er ihnen in schillerndsten Farben aus, wenn er ihnen wie zufällig über den Weg lief. Die reichen Herren der Stadt, versprach er ihnen, würden sich die Finger lecken nach solcher Anmut, und sie würden jeden Dienst reich belohnen und dafür Sorge tragen, dass keines ihrer Mädchen Not litt...
Nun, so ganz und gar gelogen war das nicht. Karel beruhigte sich selbst mir der Darstellung, dass er den leichtgläubigen Hühnern, die von der harten Arbeit und dem kargen Leben auf dem Lande die Nase voll hatten, nicht alles erzählte. Dass sie nur den geringsten Teil des Geldes, das die Herren dafür zahlten, dass sie die Beine breitmachten, selbst bekamen, merkten sie schon selbst. Wenn Karel längst wieder mit seinem Karren kreuz und quer durchs Land fuhr, um nach "neuer Fracht" Ausschau zu halten...
Vorzugsweise von solcher Güte, wie er sie jetzt erblickte!
"Ich glaub', ich träume!“, entfuhr es ihm. Fast unbewusst griff er in die Zügel und hieß dem Gaul zu halten. "Brrr, Alter, bleib stehen."
Diesen Befehl wenigstens verstand das Pferd. Schnaubend verhielt es, während der Karren hinter ihm knarrend und quietschend zum Stehen kam.
"Was ist los?"
"Warum hältst du an?"
Karel wandte rasch den Kopf über die Schulter: "Es geht gleich weiter. Bleibt im Wagen!"
Dann rutschte er vom Kutschbock. Blindlings griff er dabei noch nach der Peitsche, ohne den Blick von dem zu wenden, was ihm selbst jetzt noch, da sie schon etliche Herzschläge währte, wie eine Vision am Wegesrand schien. Langsam ging er darauf zu, vorsichtig, als könnte eine hastige Bewegung sie verscheuchen.
Karel hatte schon allerlei erlebt, seit er seinen Gelderwerb mit der Beschaffung junger Weiber betrieb. Die meisten von ihnen waren ihm ohne wirkliche Zier zu Willen gewesen, wenn er ihnen erst einmal das Danach in Aussicht gestellt hatte.
Aber dass sich ein Weib – noch dazu von solcher Jugend und Schönheit! – ihm splitterfasernackt in den Weg stellte, das war ihm noch nicht untergekommen!
Zwei Schritte vor ihr blieb er stehen. Sein Mund hatte die ganze Zeit über offen gestanden, Zunge und Gaumen waren ihm trocken geworden, und so brauchte es jetzt drei Anläufe, ehe er auch nur einen Ton hervorbrachte. Noch ein bisschen länger dauerte es, ehe er etwas sagen konnte.
"Was tust hier? Und wer bist du, schönes Kind?"
Den Gedanken, dass die blonde Frau womöglich unter die Räuber gefallen und ihnen entkommen war, ließ er fahren. Sie wirkte nicht verängstigt oder so, als wäre ihr Schlimmes widerfahren, allenfalls sah er einen Anflug von Verwirrung in ihrem schönen Gesicht, als wüsste sie nicht recht, was sie ihm antworten sollte.
Ansonsten tat sie nichts anderes, als ihn anzusehen.
Anzu
starren
.
Karel fröstelte unter ihrem stieren, seltsam glanzlosen Blick.
Als glotzte mich eine Tote an!
durchfuhr es ihn. Und der Gedanke schien ihm viel weniger befremdlich, als er es eigentlich hätte tun müssen...
Und seltsam – erst jetzt, da er ihr nahe war und auch erst nach einer kleinen Weile bemerkte er, dass er durch sie – hindurchsehen konnte? Nein, er musste sich täuschen, das konnte doch nicht sein!
"Wo kommst du her?“, versuchte er es noch einmal, sie zum Reden zu bringen. Aber seine Stimme bebte nicht mehr vor Überraschung und Erregung. Zu seiner eigenen Verwunderung war es aber auch nicht Angst, was da in ihm hochkroch. Der Blick des nackten Weibes weckte etwas gänzlich anderes, das er tief auf den Grund seiner Seele hinab verbannt hatte. Weil er doch kein schlechter Kerl sein wollte. Nicht vor sich selbst zumindest...
Er dachte zurück, weit zurück. An Anna. Süß und jung war sie damals gewesen, begehrenswert. Allzu bereitwillig hatte sie seinem Werben nachgegeben – und ihn verlacht und verhöhnt, als er nicht gekonnt hatte, was zu tun sie einander in jenem Stall geplant hatten. Süß und jung war sie auch noch gewesen, als sie tot und stieren Blickes vor ihm gelegen hatte, ihr Hals noch zwischen seinen Händen, ihr Lächeln zur Grimasse geronnen...
Warum nur muss ich gerade jetzt daran denken?
ging es Karel durch den Sinn. Er hatte sich lange Jahre nicht mehr daran erinnert, hatte die Bluttat beinahe schon vergessen gehabt...
In Vergessenheit geriet sie auch jetzt wieder. Etwas lenkte ihn ab.
Die Frau öffnete die Lippen, zögernd erst,
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