dass ich meine Tage kriege, und bin abgehauen.«
Mum fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, was geradezu ein Verbrechen gegen jede Haarstylingkunst ist. Ehrlich, wie konnte ich eine Mutter mit solchen Haaren haben? Warum erlaubte sie mir nicht, dass ich mich daran austobte? Stattdessen sagte sie seufzend: »Es tut mir wirklich leid, dass gerade alles so schwierig ist, Sadie. Shonna scheint sich ja ziemlich danebenbenommen zu haben. Jeanette hat auch Probleme mit ihr, nicht nur du – das hat sie mir gesagt. Ich versteh nicht, was in sie gefahren ist. Aber lass dich nicht von ihr unterkriegen, das ist die Hauptsache.«
»Misch dich bloß nicht ein, Mum.«
» Wie redest du denn mit deiner Mum? Sei gefälligst nicht so unverschämt «, sagte der Typ am anderen Ende der Leitung, der offenbar alles mitgehört hatte.
Mum legte einfach auf. »Er hat Recht, Sadie, aber vielleicht wäre es gut, wenn du mal mit jemand anders sprichst. Wir kriegen ja doch nur Streit. Wahrscheinlich ist das normal, wahrscheinlich kommt das irgendwann, aber wir waren uns immer so nahe. Und jetzt hab ich das Gefühl, dass du so viel vor mir verheimlichst.«
Damit hatte sie ausnahmsweise Recht. Ich verheimlichte ihr jede Menge und das würde sich auch nicht so bald ändern.
Versteht mich nicht falsch. Ich liebe meine Mum. Aber sie hat einfach keine Ahnung, was gerade in meinem Leben vorgeht.
Stimmungsstatus: Hab’s den Fiesgirls gezeigt und Nicktyp geküsst.
Groovechick2: Glückwunsch. Damit hast du Level 50 im Kriegs- und Liebesspiel erreicht.
SayD: Hab Mum angelogen wegen Dadsuche und jetzt ein schlechtes Gewissen.
Groovechick2: Erzähl’s ihr doch.
SayD: Du klingst wie ’ne Psychotante. Ja, echt – wie so ’ne Schulpsychologin.
Groovechick2: Was meinst du, wo ich mein halbes Leben verbracht habe?
SayD: Ich will’s ihr aber nicht erzählen. Will das selber durchziehen. Lügen will ich aber auch nicht.
Groovechick2: Du kannst nicht alles haben, SayD.
Haarstylingidee für Dienstag, den 2. Oktober:
ODANGO:
DOPPEL- ODER DREIFACHKNOTEN
Dies ist die exzentrische Frisur von Queen Serenity in der Manga-Serie »Sailor Moon«. Mit einem sehr dünnen Kamm wird ein Mittelscheitel gezogen. Dann werden zwei sehr hohe Zöpfe seitlich mit einem Gummi fixiert und mit Haarnadeln zu Knoten festgesteckt. Anschließend das restliche Haar auf einer Seite nach oben bürsten, sodass es den Scheitel verdeckt, und zurückbinden. Wenn du die Enden jetzt eindrehst und das Haar mit Schleifen oder anderen Accessoires schmückst, bist du eine Manga-Queen!
Okay, ich hatte mich also innerhalb von vierundzwanzig Stunden vom frechen Pferdeschwanzgirl in Queen Serenity verwandelt. Es war ein ziemlich schräger Look, aber als ich mich in der Mittagspause in der spiegelnden Bibliothekstür betrachtete, war ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Miss Frame schien es auch zu gefallen.
»Tolle Frisur, Sadie«, lobte sie.
Aber ich war nicht in die Bibliothek gekommen, um mir Komplimente abzuholen, und auch nicht, um mich zu verkriechen. Auf die eine Mail, die ich erfolgreich verschickt hatte – die an Dad Nr. 241 –, hatte ich keinen einzigen Antwortpieps erhalten. Das war jetzt fünf Tage her und ich wollte eine neue Mail senden. Die Treffen mit Dad Nr. 254 und Dad Nr. 278 waren arrangiert, aber wenn nun Dad Nr. 241 der richtige war? Ich konnte ihn nicht einfach sausen lassen.
Von:
[email protected] Gesendet: Dienstag, 2. Oktober 12:26 Uhr
An:
[email protected] Betreff: Noch mal Hallo
Lieber Abraham Smith,
ich habe noch keine Antwort auf meine erste Mail bekommen und deshalb schreibe ich Ihnen jetzt noch mal – nur weil … also weil ich es will und weil Miss Frame, unsere coole Lehrerin hier, gesagt hat, dass ich so schreiben soll, als ob ich mich mit Ihnen unterhalte. Also ich lebe in der Stadt, in einem Viertel namens Hackney, Ostlondon, und ich gehe noch in die Schule. Ich bin hier geboren und kenne fast jeden in den fünf Straßen um unseren Block herum, aber sobald ich aus meiner »Ecke« herauskomme, ist mir alles fremd. Außerdem darf ich das gar nicht von Mum aus. Und Sie? Was machen Sie? Reisen Sie viel? Ich war schon mal mit der Schule auf der Isle of White und einmal war ich auf einer Insel namens Borokai auf den Philippinen, wo die Familie meines Onkels Zé lebt. Das Meer war unglaublich blau, und mein Cousin Billy und ich haben im Freien geschlafen und ich weiß noch, dass mir die Sterne wie