Bad Hair Years
mich ein, aber ich war zu müde, ich verstand kein Wort. Also riss ich die Augen mit Gewalt wieder auf, um mich zu konzentrieren. Aus purer Höflichkeit. Bitte in Zukunft am Anfang meiner Träume etwas deutlicher sprechen oder lauter oder am besten erst mal gar nicht, beziehungsweise verdammt noch mal.
»Ich bin schon total aufgeregt!«
»Wie lange dauert eigentlich so’ne Probezeit?«
»Ob die wohl nett sin … was?«
»Nix.«
Ist der Konfi für die Präsi schon gebooked?
Trotzdem schaffe ich es am nächsten Morgen einigermaßen ausgeruht und entspannt zur neuen Arbeitsstätte. Zum Abschied umarme ich meine Freiheit noch einmal. »Servus, mach’s gut«, spricht die Freiheit und trollt sich ins nächste Café, das herzlose Stück. Aufgeregt, ich? Ich bitte euch. Ich kann nicht nur blind mit zehn Fingern Unleserliches abtippen, ich kann auch auf Knopfdruck lächeln. Man muss halt den Knopf finden, aber das kann ja jetzt unmöglich auch noch mein Problem sein. Der Plan ist, mich möglichst unauffällig zu verhalten und vor allem so, als hätte ich nicht in nächster Zukunft einen Fluchtversuch vor . Vorzimmer ist Vorzimmer. Ich war schon Sekretärin, da wusste die Hälfte dieser Chefs noch gar nicht, wie man »Power Point« schreibt.
Ich habe in Sachen Sekretariat wirklich allerhand gesehen, aber was mich hier erwartet, übertrifft alles. Zum ersten Mal sehe ich richtige, echte Sekretärinnen, als hätte mich ein Loch im Raum-Zeit-Kontinuum in die Vergangenheit katapultiert, in der der Lippenstift das wichtigste Utensil war, wenn der Chef zum Diktat rief. Doris Day, Rock Hudson, Mad Men, zwinker zwinker. Toll. Leider bin ich bisher weder Don Draper noch Cary Grant begegnet, dafür aber richtigen Profis. Hier sind sie also, die Übermütter meiner Zunft, Tippsen aus Leidenschaft, Tussis galore. Sie heißen Jeannette oder ähnlich RTL und verwenden all ihre Energie auf perfektes Aussehen. Natürlich heißen sie nicht wirklich Jeannette, das hab ich mir ausgedacht, aber in die Richtung schon, und außerdem klingen die echten Namen noch weit ausgedachter, in etwa so, als hieße ich Martina-Natalie-Jaqueline Kink-Hintersberger.
Hieße ich Martina-Natalie-Jaqueline Kink-Hintersberger, hätte ich allerdings gar keine Zeit mehr zum Arbeiten, ich müsste ja Tag und Nacht meiner Mutter Vorwürfe machen. Natürlich können die Jeannettes nichts für ihren Namen, dass sie allerdings genau so aussehen und sich auch so benehmen, dafür können sie schon was. Ich benehme mich ja auch nicht kinky, und ich sehe schon gar nicht so aus. Andererseits kann ich mir ein bisschen Bewunderung nicht verkneifen, die Ladies bleiben auch im größten Stress ein Gesamtkunstwerk. Bei mir dagegen hatte der Lippenstift nie oberste Priorität, schon gar nicht, wenn fünf Vorgesetzte gleichzeitig wegen einer halb fertigen Powerpoint-Präsentation kurz vor dem Herzinfarkt standen. Zudem hat mich meine Erfahrung gelehrt, dass mir ein gut geschminkter Augenaufschlag auch nicht hilft, wenn mein Chef mit den falschen Unterlagen in den Flieger steigt. Man verstehe mich nicht falsch, auch ich finde, man sollte immer so hübsch aussehen, wie es halt gerade geht, aber.
Auch die Büros sind tipptopp, und das ganze Ausmaß des Irrsinns offenbart sich in der Küche, denn dort sind sogar die Schränke beschriftet. »Große Tassen« steht da, auf Minischildern sauber getippt, »kleine Teller«. Mal abgesehen von den vielen Ausrufezeichen, die den Küchendienstplan begleiten und mal abgesehen von den kleinen Sparschweinchen, in die man für jedes »Scheiße« einen Euro werfen muss. Bemerkenswert überflüssig, denn selbst ich laufe selten Gefahr, heißen Kaffee in kleine Teller zu schütten, und wenn ein »Scheiße« hier einen Euro kostet, na, dann geb ich gerne noch Trinkgeld. So soll natürlich die heilige Ordnung bewahrt bleiben, schon klar, Rock’n’Roll. Trotz all dem werde ich auf immer ehrfürchtig daran denken, mit welcher Begeisterung hier Konfis gebooked wurden, damit die Präsi auch ordentlich gezeigt werden kann, und wie ehrlich erfreut manche E-Mail tönte, in der lediglich stand: »Oh supi! Vielen Dank fürs confirmen!« Supi, in der Tat.
Nun habe auch ich meinen Job immer adrett, sauber gekämmt und zur vollsten Zufriedenheit meiner Chefs ausgeführt. Leider fehlt mir seit jeher das nötige Quäntchen Unterwürfigkeit, das Mütterliche, die Sorgfalt für jedes noch so kleine Detail. Nie habe ich Kaffee serviert ohne »hol ihn dir doch
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