Bad Hair Years
anfängt, und nicht im Februar in Köln oder Düsseldorf. Das ist übrigens auch der Grund, warum die Menschen »ein Prosit!« plärren und nicht »Alaaf!« oder »Helau«. Ein Dirndl ist kein Faschingskostüm, sondern eine Tracht und steht für Bayern, Berge, Brauchtum. Wer davon nichts versteht, ziehe sich bitte an wie sonst auch, es ist genug Bier für alle da, versprochen, man muss sich nicht als Bayer verkleiden. Ganz Italien stünde ja draußen vorm Zelt, außerdem bekommt man im T-Shirt weit leichter die Hände zum Himmel als in einer doch sehr engen Dirndlbluse.
Die letzten zwanzig Jahre und bis heute nannte selbst ich kein Dirndl mein Eigen, dabei besitze ich wirklich alle Kleider, die es gibt auf der Welt, und bin quasi qua Geburt berechtigt, eines zu tragen. Ich komme aus den Bergen, ich war im Alpenverein, ich spreche ein Bayrisch, dessen »R« sich selbst in meinem lupenreinen Hochdeutsch nur schwer verbergen lässt, und ich kann Dirndldrahn, werde jetzt aber nicht erklären, was das ist, und weiß auch nicht, wie man es richtig schreibt. Auch ich mache mich gerne mal über meine bayrische Herkunft lustig, ich aber darf das, siehe oben. Alle anderen halten sich bitte zurück, es sei denn, sie waren mit mir im Alpenverein oder gehören zum Kreis derer, die mir damals den Schorschi ausgespannt haben.
Die letzten Jahre war ich in Jeans und T-Shirt auf der Wies’n, weil ich weiß-blau zu würdigen weiß und wenn schon denn schon. Es mangelte mir halt meist am denn schon, denn ein ehrliches Dirndl braucht Geld und Busen. Über »schön« lässt sich immer streiten, mei, da hat halt a jede einen anderen Geschmack. Was aber auf keinen Fall zur Diskussion steht, ist das Drumherum. Ich schreibe es jetzt noch einmal zum Mitschreiben: Ein Dirndl ist keine Verkleidung. Es braucht keine Heidizöpfe, es braucht keine roten Bäckchen, man muss die Lieblingsbands nicht via Button auf der Dirndlbluse kundtun, im Bierzelt geht jeder noch so hervorragende Musikgeschmack sowieso sofort über Bord. Es braucht erst recht keine Chucks oder Stiefel oder Timberlands oder Netzstrümpfe untendrunter. Das einzige Adjektiv, das eine Frau im Dirndl dabeihaben sollte, ist: sauber. Sauber gewaschen, sauber gekämmt, sauber innendrinnen. Und zwar bitte mindestens bis zur dritten Maß. Maß. Nicht Maas.
Ihr habt Glück, dass euch meine Mama nicht sehen kann. »Schamst di gar ned«, würd sie sagen oder: »So gehst du mir ned ausm Haus.« Sätze, die ich übrigens nie zu hören bekam, auch nicht, wenn ich mit blauen Haaren und schwarzen Kutten im Dorf auf dem Minigolfplatz rumhing. Beim Dirndl aber hört der Spaß auf, ich bin nicht umsonst die Tochter meiner Mutter, und ich sag es euch nur einmal, jetzt schon, bevor o’zapft is: Reisst’s euch zamm. Die Erste, die ich mit Leggings unterm Gwand erwisch: Glei a Watschn.
»Dafür, dass sie immer so rumschimpf t, war sie aber ganz
schön oft!«
»Nie wieder Alkohol.«
»Es gibt ganz tolle neue Tees! Damit entgiften wir jetzt erst mal.«
»Detox, Retox.«
Ich wollte nur einen Kaffee,
und jetzt hab ich einen im Tee
Ich war nur kurz unten im Amore, auf einen Kaffee. Leider hat in diesem Viertel das Wörtchen kurz oftmals eine völlig andere Zeitrechnung, und auch bei Kaffee sollte man nicht allzu sehr auf die genaue Definition pochen – Kaffee heißt hier durchaus auch mal Wein. Es passiert immer wieder, dass man (ich) nur kurz die Zeitung holen will, und vier Stunden später landet man (ich) angetrunken zurück in der Wohnung. Hierfür lehne ich jegliche Verantwortung ab; es liegt nicht an mir, es liegt am Viertel. Hier kann man ja nicht mal in Ruhe Kaffee trinken, ohne dass man gleich einen Nachbarn zu einem Glas Wein überreden muss. Natürlich ist es schön, mitten in der Stadt in dörflichen Verhältnissen zu leben, andererseits sollte man sich am nächsten Tag schon noch zum Bäcker trauen können, ohne dass man einmal quer durchs Dorf getrieben wird. Vor der eigenen Haustür schon alles sauber gekehrt?
Jedenfalls hab ich jetzt einen im Tee. So sagt man doch, sagt man so? Und das mir, wo ich Tee gar nicht mag. Was das eine mit dem anderen? Immer mit der Ruhe, macht euch doch erst mal ein Tässchen Tee. Falls die Entscheidung zwischen den tausend Sorten schwerfällt, hilft euch sicher Steffi Graf. Die nämlich bekam gestern Abend in meinem Fernseher einen Anruf. Ob die Nachbarskinder über Nacht bleiben könnten? Und der Hund auch? Und alle müssten aber morgen früh raus,
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