Bad Hair Years
Joghurt im Wasser kann ich mir außerdem sparen, mein Duschgel heißt Yoghurt&Milk. Das wundert nicht weiter, Lebensmittel spazieren schon seit Jahren auf das Geheiß von Frauenzeitschriften ins Badezimmer. Quark und Gurken ins Gesicht, Bier und Eier in die Haare, ohne mich. In meiner Kosmetik soll hochwirksames Zeug aus der Zukunft stecken, nicht der übrig gebliebene Quark von gestern. Lebensmittel gehören da hin, wo sie hingehören, in die Küche. Ich schütte ja auch keinen roten Nagellack in die Tomatensauce, nur damit die eine kräftigere Farbe bekommt.
Als Nächstes muss die Pasta dran glauben, jede Wette. Ich prophezeie Nudeln, die nicht mehr als lustige Fusilli daherkommen, sondern als Om. »Gutes Karma! (Kochzeit 11 min.)« wird draufstehen. Von mir aus. Ich werde so lange Parmesan drüberreiben, bis ich es nicht mehr mitansehen muss. Spitzen-Idee eigentlich, Nudeln, ich mach mir jetzt fünf Teller Nudeln. Danach geht’s bestimmt wieder. Kohlehydrate for the win.
»Was hat sie denn?«
»Einen sitzen.«
»Aber sie ist ja total genervt!«
»Dreimal darfst du raten. Beziehungsweise vierzig mal, haha.«
»Aber deshalb muss man sich doch nicht gleich betrinken!
So was! Es ist doch nur eine Zahl! Man ist doch immer so jung, wie man sich fühlt!«
»Ganss genau. Scheers.«
Kein Kind, kein Kerl, keine Karriere
Die unvorstellbar hohe Zahl, die so wenig zu mir passt wie, sagen wir mal, ein dunkelblauer Blazer mit Goldknöpfen, kommt schneller auf mich zu, als ich »hier gibt’s nichts zu feiern!« schreien kann. Einen dunkelblauen Blazer mit Goldknöpfen würde ich selbst unter Androhung von Gewalt nicht anziehen, und genauso wenig habe ich vor, mir dieses Alter anzuziehen. Vierzig passt mir nicht, ist mir zu groß, ich habe mich nicht umsonst auf 34/36 runtergehungert. Angesichts der Tatsache, dass die gesamte Nachbarschaft unter Eid schwören würde, mich auch schon in Leggings gesehen zu haben, möchte ich die Bemerkung mit dem dunkelblauen Blazer aber vorsichtshalber als äußerst gewagt verstanden wissen. Nicht, dass hinterher wieder alle mit dem Finger auf mich zeigen.
Natürlich trifft mich das nicht aus heiterem Himmel. Im Gegenteil, letztes Jahr bekam ich einen kleinen Vorgeschmack, was da an hausgemachten Selbstzweifeln auf mich zukommen würde, und zwar in Form eines Abitreffens, und zwar zwanzig Jahre später. Zum Üben, nehme ich an. Ich wollte aber nicht üben, ich wollte nur sehen, wer dick geworden war und wer doof. Natürlich war ich aufgeregt. Natürlich zog ich Bilanz, tröstete mich dann aber mit der Tatsache, dass ich immerhin eine Hausratversicherung besitze, obwohl ich nicht sicher war, ob so was gilt. Für weitere Überlegungen hatte ich keine Zeit, meine einzige Sorge war, schnell noch jemanden zu finden, der mir ein Kind macht, einen Ring ansteckt oder mir einen Dreihunderttausend-Euro-p.a.-Vertrag (Dienstwagen inklusive) zur Unterschrift vorlegt. Was man halt so braucht für ein Abitreffen. Kein Kind, kein Kerl, keine Karriere, musste ich einsehen, und das war dann auch der Tag, an dem mich eine billige Alliteration in die Knie zwang.
So machte ich mir die Haare schön und schlüpfte in ein hübsches Kleid und sehr, sehr hohe Schuhe. Man glaubt es kaum, aber damit kam ich locker durch. Damit, mit sehr viel Bier und mit einem One-Night-Stand, den ich eigentlich schon vor zwanzig Jahren hätte hinter mich bringen können.
Jetzt aber geht es los, und zwar so richtig, und zwar schlimmer und schneller, als ich cool bleiben kann. So viele nicht gepflanzte Bäume, so viele nutzlose Eisprünge und Mädchen-Bauchschmerzen, so viele Falten und weit und breit kein Haus am See. Sohn zeugen, Haus bauen, Baum pflanzen – Zeit hätt ich. Im letzten Satz habe ich einen Mann versteckt, könnt ihr ihn finden?
Warum falle ich auf ein derart abgewracktes Klischee rein? Ich gebe mir doch sonst auch Mühe, nicht so zu sein. Ich kaufe ja auch keine Diätmargarine, nur weil mir jemand vorsingt, ich könne dann so bleiben, wie ich bin. So bleiben wie ich bin! Sonst noch was! Meine Vermutung: Werbung. Genauer, TV-Werbung. Das mag wie ein billig hergeholter Grund scheinen, mir fällt halt aber gerade kein besserer ein. Ständig Reihenhaus mit Familie drin oder Loft mit Küsschen hier und da, vor lauter heile Welt weiß man nicht mehr, ob man nicht bald vors Jüngste Gericht muss, weil man immer noch keinen original Siebzigerjahre-Kinderwagen vor sich herschiebt.
Mir scheint Karriere der einzig
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