Bad Hair Years
und ob sie, die Steffi, dann noch das Auto durch die Waschstraße und den Einkauf? Klar, sprach Steffi und baute lächelnd Teeschachteltürmchen vor sich auf. Dabei ließ sie ihre Jeansbeine derart entspannt und gleichzeitig energisch über die Stuhllehne baumeln, dass selbst die Jakobs-Krönung-Frau blass wurde. »Hol dir Kraft«, stand auf den Teeschachteln, »Innere Ruhe« und »Klarer Kopf«. Man korrigiere mich, aber beißt sich ein normaler Mensch bei solch einem Anruf nicht auf die Lippen, presst ein »Mach ich gerne« hervor, nur um dann aufzulegen und sich erst mal einen Schnaps zu genehmigen? Die Überschrift der Tees heißt übrigens »Bestimmen Sie selbst, wie Sie sich fühlen«. Ich hatte ja keine Ahnung. Man kann mit Tees bestimmen, wie man sich fühlt? Warum erfuhr ich das erst jetzt? Meine Neugier war geweckt, und so konnte ich zusätzlich »Freu dich«, »Fühl dich jung« und »Einfach schön« kennenlernen. Ich habe alles natürlich auf der Stelle getestet, und was soll ich euch sagen, hab ich mir ja gleich gedacht, dass es so einfach nicht geht. Davon mal abgesehen, was macht Steffi Graf hinter Teetassen, ist Pesto alle? Ist Barilla pleite? Ist das überhaupt Steffi Graf?
Auf »Freu dich!« habe ich verzichtet, ich kann es nicht leiden, wenn man mir mit Ausrufezeichen kommt oder mir sagt, wo’s langgeht. Nach zwei Gläsern Wein beschloss ich, langsam wieder vernünftig zu werden, und bestellte mir heißes Ingwerwasser, denn damit fühlt man sich wirklich besser und jünger. Was man mir vorsetzte, war mitnichten Ingwer, sondern ein sogenannter Yogi-Tee. (Ich lasse »Yogi-Tee« hier bei vollem Bewusstsein ungeschoren davonkommen). Auf dem Teebeutelchen beziehungsweise vielmehr auf diesem Papierfitzelchen stand, einem Glückskeks nicht unähnlich: »Mache heute besser als gestern.« Das gab mir den Rest. Lernt ihr erst mal Deutsch, wollte ich rufen und mir gleich noch einen Schnaps bestellen, schließlich hatte ich mich gerade erst von Steffis Telefonat erholt. Dass mir jetzt schon Teebeutel Befehle erteilen, geht eindeutig zu weit, ich meine, den ganzen Tag im warmen Wasser rumhängen, aber gescheit daherreden? Sowieso verärgert mich nichts schneller als Blümchensprüche à la »Wenn das Leben dir Zitronen gibt, dann mach Limonade daraus«. Wenn das Leben mir Zitronen gibt, also dauernd, dann brauche ich erstens keine Limonade, sondern noch einen Schnaps. Zweitens seufze ich in dem Fall nicht leise »Ach, seufz!«, sondern sorge dafür, dass mein Gezeter noch drei Straßen weiter zu hören ist. Und zu was? Zu Recht. Braucht man einmal wirklich Zitronen, dann hat das Leben nämlich auch grad keine da, aber so was wird ja immer verschwiegen.
Wo war ich? Beim Tee. Es könnte mir eigentlich egal sein, ich habe meine Teetrinker-Karriere in der elften Klasse mit »Tagtraum Tee« begonnen und sofort wieder beendet, ungefähr zu dem Zeitpunkt, als ich auch diese Samtlatschen-Schuhe wegwarf. Zu bestellen gab es den parfümierten Kram in diesen grünen Heftchen, die, die auch klitzekleine Patchouli-Duftöl-Flakons lieferten. Das Öl kam hinters Ohrläppchen und der Flakon in den Setzkasten, der an der Wand über dem Bett hing, gleich neben dem Poster mit dem knutschenden Pärchen am Strand oder dem Soldaten, der wissen will, warum. Why? Ja, frag ich mich auch immer. Man muss vor 1970 geboren sein, um das zu kennen.
Meine Bedenken kommen nicht von ungefähr, immerhin ist diese Entwicklung auch beim Joghurt zu beobachten: Pfirsich-Maracuja, Erdbeer-Rhabarber, an Weihnachten schleicht sich Zimt rein, und der eine oder andere Bratapfel. Wie beim Tee! Da fing es auch harmlos mit Kirsche-Vanille an, und wo sind wir jetzt? Jetzt erklären uns Teebeutel, die nicht mal Kurs 1 in Deutsch für Anfänger schaffen, die Welt. Bei den Joghurts wird es auch nicht mehr lange dauern, hört meine Worte. Schon jetzt darf man kaum noch einen kaufen, ohne Verdauungsbeschwerden nachweisen zu müssen. Von da ist es zu Namen wie »Hör auf deinen Bauch!« nicht mehr weit. Zugegeben, zusammen und wörtlich genommen gefällt mir das ausnehmend gut: Für innere Ruhe und gegen Blähbauch, das passt wirklich hübsch zusammen – Ruhe da drinnen, wer will das nicht. Demnächst aber wird mir Germany’s next Topmodel empfehlen, mit einer schönen Tasse Tee – »Tauch unter!« – in die Badewanne zu gehen und einen Becher Joghurt ins Wasser zu kippen, für babyweiche Haut. Möge es ihr erster und letzter Werbeauftritt sein. Den
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