Bad Monkeys

getreten, um ganz sicher zu sein –, also war’s nicht mehr so schrecklich dringend, die Bullen zu rufen. Und jetzt, wo ich wusste, dass ich in Sicherheit war, hatte ich einfach das Bedürfnis, mich für ein Weilchen aufs Ohr zu legen. Ich sagte mir: Onkel und Tante sind in ein paar Stunden wieder da, und dann können wir uns ja immer noch mit den Aufräumarbeiten befassen.
    Also bin ich rauf in mein Zimmer. Ich hab die Tür mit meiner Kommode verbarrikadiert – nur für alle Fälle – und hab mich hingelegt. Ich hab die NT-Pistole unter mein Kissen gesteckt. Ich hab die Augen zugemacht.
    Als ich sie wieder aufmachte, war es Morgen. Meine Tür stand sperrangelweit offen, und ich hörte, wie meine Tante in der Küche Frühstück machte. Ich stand auf und ging runter und blieb in der Tür stehen, wo die Leiche des Hausmeisters gelegen hatte.
    »Guten Morgen, Schlafmütze«, sagte meine Tante. »Möchtest du Speck zu den Eiern?«
    Die Verandatür stand ebenfalls offen, und ich sah meinen Onkel, der weit hinten um einen vom Blitz getroffenen Baum herumging.
    »Wart noch mit dem Speck«, sagte ich. »Ich bin gleich wieder da.«
    Ich bin nach oben gerannt und hab unter mein Kissen geguckt.
    Die Pistole war auch verschwunden, stimmt’s?
    Ja. Aber dafür lag was anderes da. Eine Münze. Ein Geschenk der Pistolenfee vielleicht.
    Sie war so groß wie ein Quarter, aber dicker und schwerer. Sie sah aus wie aus Gold. Auf beiden Seiten war das gleiche Bild: eine hohle Pyramide mit einem strahlenden Auge darin, Sie wissen schon, ungefähr wie der Schluss-Stein der Pyramide auf dem Ein-Dollar-Schein. Rings um den Rand der Münze lief ein Motto: omnes mundum facimus .
    Mein Latein ist ein bisschen eingerostet. Mundum bedeutet »die Welt«?
    Ja. Ich hab mir ein Lateinlehrbuch aus der Schulbibliothek besorgt und es damit rausgekriegt. Omnes bedeutet »alle«, und facimus heißt »wir machen« oder »erschaffen«, omnes mundum facimus heißt also so viel wie »Wir alle machen die Welt«. Das ist die Übersetzung; die Bedeutung des Satzes allerdings, die war kniffliger rauszukriegen. Es war ein Rätsel, verstehen Sie? So was wie ein Eignungstest, wie die versteckte Botschaft im Kreuzworträtsel, bloß viel schwieriger, deswegen hab ich auch viel länger gebraucht, um drauf zu kommen.
    Wie viel länger?
    Zweiundzwanzig Jahre.
Weißes Zimmer (ii)

    Als der Arzt das Zimmer das nächste Mal betritt, hat er eine zweite Aktenmappe bei sich, prall gefüllt mit Dokumenten.
    »Na, meine Story abgecheckt?«, rät sie, während er den Inhalt der Mappe zu drei ordentlichen Stapeln schichtet.
    Er nickt. »Ich widerspreche Patienten nicht gern, aber in der Gefängnispsychiatrie kann es meiner Erfahrung nach sehr nützlich sein, schon früh einen aggressiven Kurs einzuschlagen.«
    »Um die Simulanten von den echten Bekloppten zu unterscheiden?« Sie schaut amüsiert drein. »Und, wie lautet Ihre Diagnose in meinem Fall?«
    Er schiebt ihr den ersten Stoß Unterlagen zu. »Das ist ein Bericht, der im Oktober 1979 vom Büro des Sheriffs von Madera County zu den Akten gelegt wurde. Ein Mann namens Martin Whitmer wurde in seinem Lieferwagen in einem Straßengraben in der Nähe von Fresno tot aufgefunden. Whitmer hatte als Hausmeister in einer Highschool gearbeitet, seine Stelle aber aufgegeben, nachdem er von einer unbekannten Schülerin beschuldigt worden war, der Route-99-Killer zu sein.«
    »Also bitte. Genau, wie ich gesagt habe.«
    »Nicht ganz.« Er blättert zu einer der letzten Seiten der Akte. »Im Autopsiebericht steht nichts von einer Schussverletzung. Mr. Whitmer starb an einem Koronarinfarkt.«
    »Ja, ich weiß. Ich hab Ihnen doch gesagt, dass ich ihn mit einer NT-Waffe erschossen habe.«
    Der Arzt denkt kurz nach. »NT steht für ›natürliche Todesursache‹?«
    »Genau. Tut mir leid, ich dachte, das würde sich von selbst verstehen.«
    »Die Pistole schießt Herzstillstände.«
    »Myokardinfarkte«, sagt sie und tippt mit dem Finger auf die Zeile »Todesursache« im Autopsiebericht . » MIs . Und die HI-Einstellung ist für Hirn infarkte. Herzschlag und Schlaganfall, die zwei Hauptkiller von schlechten Affen …« Sie lächelt. »Und, was haben Sie sonst noch zu bieten?«
    Er schiebt den zweiten Stapel nach vorn – er besteht nur aus zwei Blättern, Ausdrucken eines Mikrofilmlesers. Es ist eine Story aus dem San Francisco Examiner mit der fragenden Schlagzeile: hängt würgengel die flügel an den nagel ?
    »›Sechzehn Monate nachdem