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Bad Monkeys

Bad Monkeys

Titel: Bad Monkeys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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Eingangstür und das Schild mit der Aufschrift zu vermieten.
    »Was ist das hier?«, fragte ich, da ich schon dachte, dass Arlo Dexter die verlassene Kirche vielleicht als Bombenwerkstatt benutzte.
    »Mein Zuhause«, sagte Annie.
    »Sie wohnen hier? Sie und Gott?«
    »Nicht drinnen«, sagte sie. »Hinten.«
    »Hinten« war ein kleiner Friedhof. Wie die Kirchentür, so war auch das Friedhofstor mit Kette und Vorhängeschloss gesichert, aber Annie hatte einen Schlüssel.
    Ihr Zuhause war ein mit wasserdichter Plane abgedeckter Kühlschrankkarton. Die offene Seite des Kartons sah auf einen Grabstein mit dem Namen W illiam Dane. Die Grabstelle war säuberlich mit Steinen eingefasst, und Annie achtete darauf, nicht über die Begrenzung zu treten.
    »Nur eine Minute«, sagte sie und kroch in den Karton.
    Manche Fragen stellt man besser nicht, besonders wenn man es mit einer Verrückten zu tun hat. Während ich also draußen wartete, beschloss ich, diese Situation als einen weiteren Test der Organisation aufzufassen – was sie, bei allem, was ich wusste, auch durchaus sein konnte. Ich hatte an Annies Fingern keinen Ring gesehen, also war William Dane wahrscheinlich nicht ihr Mann. Er konnte ihr Lover gewesen sein, dachte ich, aber als ich dann noch einen Blick auf das Grab warf, sah ich, dass es zu klein für einen richtigen Sarg war.
    »So …« Annie tauchte mit einem blauen Rucksack wieder auf, der zu ihrem Pennerinnen-Outfit ganz und gar nicht passte. Sie kauerte sich neben dem Grab hin und tätschelte den Stein auf eine Weise, die jeden etwaigen Zweifel zerstreute – Billy Dane war ihr Sohn. Dann sah sie hoch zum Himmel. Es regnete nicht mehr, aber es war noch immer bewölkt, und ich sah ihr an, dass ihr die Vorstellung, den Jungen bei schlechtem Wetter allein zu lassen, überhaupt nicht behagte; ich rechnete schon damit, dass sie die Plane vom Kühlschrankkarton abziehen und damit das Grab zudecken würde. Aber sie widerstand dem Impuls und richtete sich wieder auf, nachdem sie dem Grabstein noch einmal den Kopf getätschelt hatte.
    »Wohin jetzt?«, fragte ich.
    »Folgen Sie mir einfach. Und aufpassen!«
    Wir marschierten los, in Richtung Downtown . Wir waren vielleicht einen Block weit gegangen, als Annie wieder mit ihrer Brabbelnummer anfing. Diesmal konnte ich kein einziges Wort verstehen. Ich versuchte, es einfach zu ignorieren, aber das gelang mir auch nicht – das Geplapper, das aus ihrem Mund kam, hatte etwas entnervend Beharrliches an sich, wie das Geräusch von Fingernägeln auf einer Schiefertafel.
    »Annie?«, sagte ich. »Reißen Sie sich am Riemen, Annie«, aber das führte nur dazu, dass sie ihre Lautstärke um ein paar Strich höher drehte. Immer mehr Passanten drehten sich nach uns um und starrten uns an, also guckte ich ganz unbeteiligt hierhin und dorthin, sah mir die Wolken am Himmel an und die Häuser, an denen wir vorbeikamen, und bemühte mich überhaupt, durch Körpersprache die Message näherzubringen: »Dass ich neben dieser Person gehe, heißt noch lange nicht, dass ich was mit ihr zu tun habe.«
    Plötzlich riss das Gebrabbel ab, und Annies Hand schloss sich um mein Handgelenk. Ich sah nach unten; mein rechter Fuß schwebte eine Handbreit über der Erde, im Begriff, auf den splitterzackigen Boden einer zerbrochenen Flasche zu treten.
    »Aufpassen!«, sagte Annie.
    Also passte ich von nun an auf, wohin ich trat, während Annies Gemurmel sich in mein Ohr schlängelte und es sich in meinem Hinterkopf bequem machte. Als ich das nächste Mal hochguckte, waren wir wieder im Haight, vor einem Hotel namens Rose & Cross. Der Portier nickte Annie zu und reichte ihr einen Schlüsselbund.
    Wir gingen in den ersten Stock hoch, in ein Zimmer mit einem Doppelbett. Das Bett war frisch gemacht, die Zudecke einladend zurückgeschlagen; Annie schob mich darauf zu und sagte: »Ich gehe unter die Dusche. Sie schlafen.«
    »Schlafen?«, sagte ich. »Es ist noch nicht mal Mittag …« Aber ich war tatsächlich erschöpft; die kilometerlange Geräuschkulisse ihres Gebrabbels hatte mich ausgelaugt. Ich strampelte mir die Schuhe von den Füßen und kroch unter die Decke. Sowie mein Kopf das Kissen berührte, war ich ganz woanders.
    Ich war in einem Klassenzimmer, saß auf einer altmodischen Schulbank, dritte Reihe Mitte. Eine jüngere und weniger geistesgestört aussehende Annie stand an der Tafel und zeichnete ein Organisationsdiagramm. Die Kästen des Diagramms bildeten ungefähr eine Pyramide; der oberste

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