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Bad Monkeys

Bad Monkeys

Titel: Bad Monkeys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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Kasten war mit den Buchstaben t.a.s.e . bezeichnet. Unmittelbar darunter, durch eine doppelte Linie damit verbunden, war ein Kasten mit der Inschrift kosten-nutzen. Von dort aus strahlten weitere Linien abwärts und stellten Verbindungen zu anderen Abteilungen und Unterabteilungen her, von denen mir einzelne (Catering, Wahllose Gute Taten) schon dem Namen nach bekannt waren, während mir die meisten Bezeichnungen (Grusel-Clowns?) überhaupt nichts sagten. Ich war ein bisschen enttäuscht festzustellen, dass sich die Abteilung Bad Monkeys, obwohl sie durch eine direkte Linie mit Kosten-Nutzen verbunden war, ganz unten an der Basis der Pyramide befand.
    Während Annie das Diagramm fertigstellte, sah ich mich nach einer Zerstreuung um. Andere Schüler gab es nicht, also entfiel Zettelschreiben, und die Fenster des Klassenzimmers boten keinerlei Aussicht, nur so ein diffuses weißes Leuchten, als ob die Schule in den Wolken schwebte. Dann hob ich die Klappe meines Pults und fand darunter ein Lehrbuch, eine Schwarte mit dem Titel Geheimnisse des unsichtbaren College. Das klang interessant.
    War’s aber nicht. Die Seiten waren eine durchgehende Buchstabenwüste, ganz eng mit diesen winzigen Zeichen vollgeschrieben, bei denen man, noch bevor man versucht hat, auch nur eine Zeile zu lesen, genau weiß, dass man sich langweilen wird. Ich fing an, das Buch durchzublättern, um zu sehen, ob es irgendwelche Bilder gab (es gab keine), und jemand trat von hinten gegen meinen Stuhl.
    Auf der Bank hinter mir hatte sich Phil materialisiert. Nicht der erwachsene Phil, den ich gern mochte; der zehnjährige Phil, der mir, bevor ich weggeschickt worden war, den letzten Nerv getötet hatte. »Lass das«, sagte ich drohend. Ich wandte mich wieder dem Lehrbuch zu, und Phil trat noch einmal gegen meinen Stuhl.
    » Lass das!« Ich wirbelte herum und holte schon beidhändig mit dem Buch aus. Aber Phil war verschwunden.
    Von der Tafel her ertönte ein scharfer Knall. »Jane«, sagte Annie. »Wir brauchen Sie hier und jetzt.«
    »Ja, Ma’am«, hörte ich mich sagen.
    »Der heutige Lehrstoff umfasst die Befehlsstruktur der Organisation, die korrekte Handhabung der NT-Waffe und die Benutzung des Daily Jumble zur verdeckten Kommunikation. Bitte schlagen Sie Seite eintausendvierhundertfünfundsechzig auf …«
    Langer Traum. Das Schlimmste daran war, dass ich, anders als in einem realen Klassenzimmer, nicht einfach einschlafen konnte; weil ich ja schon schlief.
    Als ich endlich aufwachte, war es Nacht. Annie stand am Fenster und sah hinaus; sie hörte, wie ich nach der Nachttischlampe tastete, und sagte: »Lassen Sie sie aus.«
    Ich stellte mich zu ihr ans Fenster. Auf der anderen Straßenseite gab es ein Modelleisenbahngeschäft; darüber waren Wohnungen, und in einer davon, im ersten Stock, sah ich einen knapp über Dreißigjährigen in Unterwäsche auf und ab gehen. »Ist er das?«
    »Das ist er.« Annie stippte gegen einen Schuhkarton, der auf der Fensterbank lag. »Das ist für Sie gekommen.«
    Meine NT-Waffe. Ich holte sie heraus, wog sie in der Hand und führte ein paar schnelle Funktionstests durch, die ich im Traumunterricht gelernt hatte. Sobald ich mich vergewissert hatte, dass sie in betriebsfähigem Zustand war, sagte Annie: »Jetzt wollen wir den Stoff wiederholen … Angenommen, ich würde Sie auffordern, ihn von hier aus zu erschießen. Könnten Sie das?«
    In der MI-Einstellung beträgt die effektive Reichweite der NT-Waffe rund fünfzehn Meter; in der HI-Einstellung etwa halb so viel. »Ich könnte ihn wahrscheinlich mit einem Herzschlag erledigen«, sagte ich. »Aber dazu müsste ich dieses Fenster öffnen und ihn dazu bringen, eins von seinen ebenfalls zu öffnen.«
    »Warum erschießen Sie ihn nicht einfach durch das Glas?«
    »Geht nicht. Die Pistole dringt durch normale Kleidung, aber alles, was nennenswert dichter ist, absorbiert entweder den Schuss oder lenkt ihn in eine zufällige Richtung. Spiegelnde Oberflächen sind ganz besonders schlecht.«
    »Und eine weitere wichtige Folge dieser Tatsache ist …«
    »Außer ich bin so nah, dass ich ihn nicht verfehlen kann, darf ich auch niemals auf jemanden schießen, der vor einer spiegelnden Fläche steht.«
    »Gut«, sagte Annie. »Sie haben zugehört.«
    »Ja, aber jetzt hab ich eine Frage: Fordern Sie mich auf, ihn zu erschießen? Dann könnte ich einfach rübergehen und ihn rausklingeln .«
    »Nicht heute Nacht.« Sie reichte mir einen kabellosen Kopfhörer mit Mikro.

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