Bad Monkeys
Sie sich bestimmt schon selbst zusammengereimt. Sie hatte einen kleinen Sohn und ein Haus an der Bay. Eines Tages hat sie nicht aufgepasst.«
»Der Junge ist ertrunken.«
»Ja.«
»Und jetzt ist sie geistesgestört.«
»Nicht im klinischen Sinne«, sagte True. »Sie war Grundschullehrerin, aber studiert hatte sie Psychologie. Nach dem Tod ihres Sohnes nutzte sie ihr Wissen über Geisteskrankheiten, um sich so etwas wie einen Zufluchtsort zu konstruieren.«
»Sie tut so, als wär sie verrückt, um nicht verrückt zu werden?«
»Es ist zwar ein bisschen komplizierter, aber im Wesentlichen: Ja.
Verbringen Sie genügend Zeit mit ihr, und Sie werden feststellen, dass sie ihre Nummer nur abzieht, wenn es ungefährlich – oder sogar vorteilhaft ist, sie abzuziehen. Wird klarer Verstand verlangt, ist sie vollkommen klar. Sie ist sehr zuverlässig.«
»Ja, hab schon gehört. ›Gott sorgt dafür, dass ich konzentriert bleibe‹?«
»Sie glauben nicht an Gott.«
»Nein. Tut mir leid.«
»Bei mir brauchen Sie sich nicht zu entschuldigen. Aber ich werde Ihnen ein Geheimnis über Gott verraten: Wenn Sie darauf achten, nicht zu viel von ihm zu verlangen, spielt es eigentlich keine Rolle, ob er existiert. Annie verlangt nicht viel.«
»Bloß drei Mahlzeiten am Tag und ein Pappdach überm Kopf, stimmt’s?«
»Sie will sich nützlich machen. Es wäre für einen Menschen in Annies Situation sehr leicht, den Rest seines Lebens in einer Schuld-Winterstarre zuzubringen, aber sie will die ihr verbleibende Zeit sinnvoll nutzen. Die Organisation gibt ihr eine Aufgabe; Gott sorgt dafür, dass sie sie erfüllt.«
»Und Sie machen sich keine Sorgen, dass der Allmächtige ihr mitten während einer Mission anderslautende Befehle erteilen könnte?«
»Sollte ich das Bedürfnis verspüren, mir Sorgen wegen ungehorsamer Agentinnen zu machen«, sagte True, »wäre Annies Name nicht der erste, der mir einfiele.«
»Schon gut, schon gut, okay … kapiert.«
»Das hoffe ich.«
»Ernsthaft, True, ich hab’s verstanden.« Ich hob die Hand und tippte an mein Headset. »Wie ist es, kann ich mit dem Ding auch Frühstück bestellen?«
Tatsächlich dauerte es aber noch ein paar Stunden, bis ich was zu essen bekam. Nachdem ich zurückgegangen war und Annie geweckt hatte, brauchte sie ewig im Bad – wenn man in einem Pappkarton wohnt, kann man von sanitären Einrichtungen wahrscheinlich nicht genug kriegen – und noch mal so lang, um aus der Kollektion von Lumpen in ihrem Rucksack ein Ensemble für den Tag auszusuchen. Aber ich hab mich gut gehalten: Ich bin nur ein bisschen ungeduldig geworden. Schließlich sind wir doch weggekommen und sind zu Silverman’s Deli , wo ich mich mit Bagels und Lachs vollgefressen habe.
Von da an spielte sich bei uns eine Routine ein: Wir machten einen Verdauungsspaziergang; Annie nuschelte vor sich hin; ich hörte zu. Dann zurück zum Hotel, wo ich Traumunterricht hatte, während Annie – die reale, wache Annie – noch einmal unter die Dusche ging. Dann ganznächtlicher Wachdienst. Dann wieder zu Silverman’s . Und alles wieder von vorn, sieben Tage am Stück. Als wir damit durch waren, wusste ich alles, was ein Bad-Monkeys-Agent wissen sollte.
Am Morgen des achten Tages teilte mir Annie mit, ich hätte die erste Phase meiner Ausbildung abgeschlossen. »Gehen Sie nach Haus und ruhen Sie sich aus«, sagte sie. »Wir treffen uns in zweiundsiebzig Stunden wieder hier.«
»Und Arlo ?«
»Mit viel Glück hat man sich seiner bis dahin schon angenommen. Andernfalls … werden Sie möglichst gut sein müssen.«
Ich ging nach Haus, pennte augenblicklich ein und schlief vierundzwanzig Stunden durch. Ich wachte mit einem brüllenden Hunger auf, aber beim bloßen Gedanken an weiteren Räucherlachs drehte sich mir der Magen um, also ließ ich Deli Deli sein und bin stattdessen in eine Kneipe, die ich kannte. Ich arbeitete mich gerade durch meinen zweiten Teller Cheese Fries, als Phil aufkreuzte.
»Die müssen ja wirklich lecker sein«, sagte er. »Du siehst glücklich aus.«
»Liegt nicht an den Fritten. Ich hab einen neuen Job.«
»Ist es der, nach dem du die ganze Zeit gesucht hast?«
»Ja«, sagte ich, »ich glaube, das könnte er sein. Wenn ich’s nicht verbocke.«
Haben Sie ihm gesagt, was das für ein Job war?
Nein. Hätte ich machen können, ich meine, Phil ist wahrscheinlich der einzige Mensch, der mir geglaubt hätte, aber … nein. Ich hab nur was von »öffentlichem Dienst« gesagt, bin nicht
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