Bad Monkeys
genau derjenige, der sich um Mitternacht aus dem Bordell schleicht. Der Staatsanwalt, der einen Kreuzzug gegen das Glücksspiel startet: Suchen Sie ihn auf der Rennbahn, wo er seine gesamten Ersparnisse auf Bluenose setzt.«
»Wenn Sie damit sagen wollen, dass die Menschen Heuchler sind, dann ist das vielleicht nicht gerade die brandneuste Neuigkeit. Und was hat das mit mir zu tun?«
»Wer hat Ihnen gesagt, Sie sollten John Tylers Büro durchsuchen?«
»Niemand.«
»Sie haben einfach geahnt, dass Sie da was finden würden?«
»Nein, ich war neugierig. Ich bin nun mal so.«
»Wie viele andere Büros haben Sie durchsucht?«
»Tja, also … Keins.«
»Was ist mit den Krankenschwestern, mit denen Sie zusammen frühstücken? Haben Sie heimlich in deren Handtaschen gekramt?«
»Nein.«
»Oder deren Spinden?«
»Nein, aber –«
»So neugierig sind Sie also auch wieder nicht. Warum ausgerechnet bei Dr. Tyler?«
»Ich fand ihn süß, okay?«
»Ach so. Sie haben ihm also nachgestellt?«
»Nein! Ich hab ihn abgecheckt … Ich meine, ich weiß nicht, vielleicht hab ich aber auch so Vibes von ihm empfangen.«
»Vibes.«
»Ja, wie Sie gesagt haben, so eine Intuition. Dass irgendwas mit ihm nicht stimmt.«
»Aber was ist dann mit den Schwestern?«
»Was soll mit denen sein?«
»Zwei von ihnen stehlen seit längerem Schmerzmittel – auf Kosten ihrer Patienten – und geben sie ihren Lovern, die sie dann auf der Straße verhökern. Komisch, dass Sie diesbezüglich keine Vibes empfangen haben. Aber wer weiß, wenn sie die Betäubungsmittel zu ihrem persönlichen Gebrauch entwendet hätten, wäre Ihre Intuition vielleicht doch angesprungen …«
»Moment mal, worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Glauben Sie etwa, ich hab mir Tyler vorgenommen, weil ich ihm ähnlich bin?«
»Sind Sie das?«
»Hey, wenn Sie befürchten, ich könnte auch eine Sammlung von Zeitschriftenausschnitten haben, dann können Sie gern meine Wohnung durchsuchen.«
»Schon geschehen.«
»Okay … Dann wissen Sie, dass Ihre Affen-Hass-Theorie hinten und vorne nicht stimmt.«
»Oft handelt es sich nicht um exakt dieselbe, sondern um eine ähnliche, eine verwandte Sünde«, sagte Dixon. »Nur der Gründlichkeit halber habe ich Ihre Lesegewohnheiten überprüft, um festzustellen, ob sie Anzeichen von unpassendem sexuellem Interesse verraten.« Er hielt den Stoß von Computerausdrucken in die Höhe, die er sich, als ich hereinkam, angesehen hatte. »Diese Suche hat mehr ergeben. Sagen Sie, erinnern Sie sich, mit zwölf Jahren ein Buch aus der Stadtbücherei von San Francisco gestohlen zu haben?«
Das war eine dermaßen abwegige Frage, dass ich fast lachen musste, aber komischerweise wusste ich ganz genau, wovon er redete. Als er »erinnern Sie sich« sagte, war es so, als wäre mein Gehirn von so ’ner Art Zeitstrahl in die Vergangenheit zurückgezappt worden.
Und wovon redete er? Was war das für ein Buch?
Das Delta der Venus von Anaïs Nin. Moons Mutter besaß es, und wir haben uns immer gegenseitig daraus vorgelesen, wenn ich bei ihr geschlafen habe. Irgendwann hab ich beschlossen, mir ein eigenes Exemplar zu besorgen, und es war einfacher, es in der Stadtbücherei mitgehen zu lassen, als es aus dem Laden zu klauen.
»Woher wissen Sie davon?«
»Leihbuchbindung«, sagte Dixon.
Ich dachte, er redete von diesem Antidiebstahl-Magnetstreifen, den Bücher in Bibliotheken haben. »Aber ich hab’s doch gar nicht durch den Eingang rausgeschafft .«
»Nein, Sie haben es aus dem Fenster der Damentoilette im ersten Stock hinuntergeworfen. Diese Zweigstelle der Stadtbücherei hat viele Bücher auf diese Weise verloren.«
»Okay, zugegeben, ich hab’s geklaut. Aber was soll daran ›unpassend‹ sein? Ich meine, klar, das Delta der Venus ist Schweinkram, aber literarischer Schweinkram.«
»Aber eine kuriose Sorte Literatur, nicht?«, sagte Dixon. »Zum Beispiel die dritte Erzählung in dem Buch – die mit dem Titel ›Das Internat‹ – handelt von einem Jesuitenzögling, dem die Patres schöne Augen machen und der von seinen Klassenkameraden sexuell missbraucht wird … Ist es das, was Sie unter gesunder erotischer Unterhaltung verstehen?«
»An die Geschichte erinnere ich mich gar nicht.«
»Ach nein? Ich hatte gedacht, das wäre eine ihrer liebsten gewesen. Nach meinen Unterlagen haben Sie diese Kurzgeschichte, allein in diesem einen gestohlenen Exemplar, neunzehnmal gelesen.«
»Nach Ihren Unterlagen? «
»Leihbuchbindung.« Er
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