Bad Monkeys
-Viertel. Am Freitag und Samstag gastierte ich anderswo, in einem Schnapsladen gegenüber vom Golden Gate Panhandle. Im Panhandle gab’s jede Menge Straßenkids, und jeden Abend kamen die zuhauf in den Laden und versuchten, Alkohol zu kaufen.
Okay, Alkohol war offiziell erst ab einundzwanzig erlaubt, was in jedem Staat lächerlich gewesen wäre; aber was es im Fall von Kalifornien besonders hirnrissig machte, war die Tatsache, dass wir auch die Todesstrafe hatten, und kennen Sie das Mindestalter dafür? Achtzehn. Also denken Sie mal darüber nach – Sie sind alt genug für die Giftspritze, aber Sie müssen noch drei Jahre warten, bevor Sie sich ein Bier kaufen dürfen. Klingt das logisch?
Das klingt wie eine originelle Rechtfertigung für einen Verstoß gegen die Alkoholgesetze. Ich gehe davon aus, Sie haben diesen Straßenkids Alkohol verkauft?
Na ja, nicht allen. Ich hab schon Unterschiede gemacht. Wenn ein Kid sich wie ein Erwachsener verhielt und nicht den Eindruck machte, als würde er sich zusaufen und vor die nächste Straßenbahn springen – und wenn sein gefälschter Ausweis nicht zu gefälscht aussah –, dann ja, dann hab ich ihm im Zweifelsfall den Stoff gegeben.
Und wenn Sie »geben« sagen, meinen Sie zum normalen Preis verkauft, oder gab’s da einen Aufschlag!
Sie wollen wissen, ob ich mich hab bestechen lassen?
Das wüsste ich gern, ja.
Kann sein, dass ich so eine Trinkgelddose hatte … Hey, ich war arm. Und außerdem gehörte das mit zur Reifeprüfung: Wenn man nicht schnallt, dass alles seinen Preis hat, dann ist man auch noch nicht erwachsen genug, um Alkohol zu trinken … Also wissen Sie, wenn Sie mich jetzt weiter so entsetzt anstarren, dann kann ich auch gleich aufhören, denn der eigentlich üble Teil kommt erst noch.
Es tut mir leid. Bitte fahren Sie fort.
Ja, okay, also eines Abends kommt so ein Junge rein, eins achtzig, stramm gebaut, aber mit reinstem Babyface , und den leg ich direkt unter minderjährig ab: vielleicht alt genug für die Nadel, aber bestimmt nicht für die Flasche. Ich behielt ihn im Auge, wie er sich in den Regalen umsah, um sicherzugehen, dass er nichts mitgehen ließ, aber auch weil, na ja, es war nicht direkt unangenehm, ihn anzusehen. Schließlich griff er sich eine Literflasche Stolichnaya und kam damit zum Tresen.
»Ausweis?«, sagte ich und wartete auf seinen Spruch. Viele von den Kids hatten so ihre Masche, wissen Sie – »An dem Tag, wo das Foto gemacht wurde, war ich krank, deswegen sieht’s mir nicht ähnlich« oder so. Aber dieser Junge sagte kein Wort, gab mir bloß einen Führerschein mit dem Namen Miles Davis drauf. Ich hab mir das Bild angesehen, und es war so ein Schwarzer mit einer Trompete drauf.
Miles Davis. Der Jazzmusiker.
Genau. Also guck ich den Jungen an, und da war vielleicht der Anflug eines Lächelns auf seinen Lippen, aber ansonsten hat er keine Miene verzogen. Und ich: »Miles Davis, hm?« Und er guckt einfach zurück, total cool, so à la: Der bin ich. Also sag ich: »Du siehst heute Abend verdammt blass aus, Miles.« Und er: »Ich hab ’ne Hautkrankheit.«
Tja, für meine Ansprüche hat das vollauf genügt. Wenn man auf eine solche Ausrede kommt und sie mit so einem Pokerface anbringt, dann hat man sich einen Drink verdient. Also will ich zur Trinkgelddose, um damit ein bisschen zu rasseln, aber er war schon da und steckte einen Dollar rein. »Du bist richtig, Miles«, sagte ich und tippte seine Flasche ein.
Schnellvorlauf, ein paar Stunden später: Nachdem ich den Laden für die Nacht dichtgemacht hatte, bin ich rüber in den Panhandle, um mir ein bisschen Dope zu besorgen, und da saß Miles am Sockel einer Statue und rauchte einen Joint. Ich ging zu ihm hin. »Kann ich auch mal dran nuckeln?« Er hat mir einen Zug gegeben und mir neben sich Platz gemacht.
»Also, Miles«, hab ich gesagt und einen Schluck aus der Stoli-Pulle genommen, »wohnst du hier in der Gegend?«
»Tja«, sagte er, ganz Mr. Non- Chalant , »zufällig such ich gerade nach einer Bleibe. Wie steht’s mit dir?«
»Ich spiel mit dem Gedanken, unterzuvermieten .« Was nicht ganz so cool rüberkam, wie ich beabsichtigt hatte, aber es war okay – wir waren sowieso schon ziemlich am Kuscheln, also war ein richtig genialer Anmachspruch gar nicht mehr nötig.
Ich hab ihn mit nach Haus genommen. Am Morgen wachte ich allein auf dem Futon auf, was mich nicht übermäßig überraschte, aber dann riech ich Rauch und sag mir, Scheiße, hat er mir zum
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