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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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verzog sich sein Gesicht: Wut, Ohnmacht, das verlorene Wortgefecht, die Demütigungen im Käfig – vor allem aber, im Körper eines Elfjährigen gefangen zu sein. Vor allem anderen, für immer wie ein Kind auszusehen. Das brachte ihn dazu, genau das zu sagen, was mich verletzen konnte.
    »Ich habe dir vertraut.«
    »Das weiß ich.«
    »Ich hab gedacht, du bist eine Freundin.«
    »War ich auch. Bin ich noch. Tut mir leid. Ich würde dir nie was antun.«
    »Und was, wenn meine Mutter nicht eingewilligt hätte?«
    Tja, das war der Punkt, zu dem uns die Logik zwang. ›Wenn Sie sich mit mir anlegen, wird das schlimm für ihn.‹ Würde ich das wirklich tun? Ihn bearbeiten wie die WOKOP-Forscher, das Ganze filmen und es Mia Tourisheva schicken? ›Kooperieren Sie und ich höre auf damit.‹
    »Ich weiß es nicht«, musste ich einräumen.
    Mit Ehrlichkeit hatte Caleb nicht gerechnet. Wieder brannte ihm das Herz davon. Er zwang sich, kühl zu bleiben. »Na, du musst dir ja nicht die Hände damit schmutzig machen, oder? Nicht mit all den Werwolfkumpeln hier in der Gegend. Hier STINKT’S, verdammt.« Damit es ja auch nur jeder im Haus hören konnte.
    »Kann ich dir irgendetwas bringen?«, fragte ich. Ich wollte ihn nicht ansehen. Es war so offenkundig, wie sehr ihm das alles weh getan hatte, noch immer tat. Es war so offenkundig, wie sehr er mich gemocht hatte.
    »Ja«, sagte er. »Deine Tochter.«
    Ich ließ das so stehen. Atmete aus. Drehte mich um.
    »Zigaretten«, sagte er schnell. »Camels.« Als er mich lächeln sah: »Was?«
    »Die habe ich auch geraucht.«
    »Na, herzlichen Glückwunsch. Und?«
    »Und nichts. Ich besorge dir welche.« Nur gut, dass ich schon so viel Praxis darin hatte, mein Herz zu verhärten. Doch auch so musste ich am Fuße der Treppe innehalten, und ich fragte mich zum zigsten Mal, ob es keine andere Möglichkeit gab. Es gab keine.
    »Meine Mutter bringt dich um«, sagte Caleb leise, als ich drei Stufen genommen hatte. Der Gedanke war ihm, unter anderen Dingen, zuwider.
    »Sie wird es sicherlich versuchen.«
    »Du verstehst nicht. Du kannst so etwas nicht mit ihr machen.«
    »Und doch bin ich hier und mache es.«
    Er schloss die Augen. Besiegt, gebrochen, von der neuen misslichen Lage. Der neuen Version jener alten misslichen Lage. Er war nun schon so lange so müde. »Nur wenige schaffen es länger als tausend Jahre«, hatte Cloquet gesagt. Ich sah nicht, wie Caleb auch nur die nächsten zehn Jahre schaffen sollte.

53
    Walker saß im Dunkeln in einem Sessel neben seinem Schlafzimmerfenster und trank ein Glas Scotch. Die halbleere Flasche – Glenmorangie – stand auf dem Fensterbrett. Ich setzte mich ihm gegenüber auf die Kante des ungemachten Bettes. Unsere Blicke kreuzten sich einen Augenblick. Die Wirkung all der Momente, die wir uns in schockierter Faszination angesehen hatten, zeigte sich noch immer. Doch nun stand eine distanziertere Version von ihm darüber, wie ein Bestatter über einer Leiche. Ich wollte ihn umarmen. Er sah weg.
    »Ich weiß, was du von mir willst«, sagte ich sanft. »Das kann ich nicht.«
    Er sagte nichts darauf. Es gab keinen Trost. Trost bezog sich per Definition auf etwas, das ihm zugestoßen war. Trost war logischerweise das Eingeständnis einer Niederlage. Trotz alledem wollte ich ihn umarmen. In solchen Augenblicken war es, als wolle Gott sagen: »Siehst du? Es gibt einen Grund, warum ich die Seele in den Körper gesteckt habe. Der Körper ist da, wenn das Seelengeld nichts wert ist.« Doch jetzt war auch das Körpergeld nichts wert. Wir hatten seit Murdochs Hinterhalt in Italien keinen körperlichen Kontakt gehabt – ich hatte ihn nicht berührt. Der Verlust war ein Schmerz in Haut und Herz. In den dunklen Hotelstunden war es zwischen uns so warm und einverständlich gewesen. Mit ein wenig Übung hatten wir herausgehabt, wir wir gemeinsam, mit ihm in mir, kamen. Ich erinnerte mich an das erste Mal, an die dunkle Intuition, die plötzlich deutlichere Fokussierung, die unsicher eilende Freude und am Ende die ein, zwei Sekunden erstaunlicher Einheit, die beide ins Nichts hinausscheren lässt – dann zurück, unendlich bereichert, erstaunt, köstlich endlich.
    »Du musst nichts sagen«, flüsterte Walker.
    Ich stellte mir vor, wie ich in der tiefsten Nacht in sein Zimmer ging und mich auszog. Ich wusste, so deutlich, als hätte er es laut ausgesprochen, wie kalt und tot sein ›Nein‹ klingen würde, noch bevor ich am zweiten Knopf meiner Bluse

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