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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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engen Raum um uns auf. Ich hatte das geistige Bild eines Teenagers vor mir, mit weit aufgerissenen Augen und dem Mund voller Blut. Es ist für uns erst das Beste, wenn es für sie das Schlimmste ist. Erstaunlicherweise wurde sie rot. Nicht sehr erstaunlich: Ich auch.
    »Was ist mit ihm?«, fragte sie und nickte in Richtung Baby.
    »Ihr«, verbesserte ich.
    »Was ist mit ihr?«
    »Sie ist wie wir.«
    »Verdammte Scheiße.«
    Eine Kabinentür ging auf und wieder zu. Ich konnte nicht sehen, wer da war, aber ich wusste, es war die Frau mit der Antipathie gegen Flüche. »Ja?«, sagte die junge Frau zu ihr.
    Keine Antwort.
    »Verschwinden Sie«, befahl die junge Frau. Ich spürte, wie die Frau gehorchte. »Himmel, es ist so irre«, sagte die junge Frau, die sich wieder mir zugewandt hatte. »Wir wussten, da draußen ist jemand. Das haben wir schon seit Tagen gesagt.«
    Stopp.
    Wir.
    Plural.
    Ein Effekt wie ein ungeheuer schneller Lichtwechsel. Der Wimpernschlag einer Sonnenfinsternis.
    »Wer, ›wir‹?«
    »Ich und die anderen.«
    »Welche anderen?«
    »Na, Sie wissen schon. Wie wir.«
    »Es gibt noch andere wie wir hier?«
    »Gibt es denn in Amerika keine?«
    Der stete Puls von Milch und Blut. Mir glühte das Gesicht. Trotz allem setzte ich mich noch immer mit ihrem Duft auseinander. Es war wie damals in Laurens Badezimmer, wo Lauren die Wäsche, die sie abgelegt hatte, auf einem Haufen am Boden hatte liegenlassen, und weil bei mir die Neugier stets siegte, hatte ich ihre Unterwäsche herausgefischt und daran gerochen. Ein beengter kleiner, profaner Nervenkitzel mit einer Spur Abscheu und erfreuter Heimlichtuerei, aber auch ein Anflug von Sympathie zur gleichen Art, das Gefühl, etwas aufzunehmen, von dem du nie gewusst hast, dass du Platz dafür hast. Damals dachte ich: Das will Gott von uns, Raum für den anderen finden, so wie Er Raum für alles findet.
    »Ist irgendeine der Kabinen noch belegt?«, fragte ich.
    Sie sah schnell nach. »Nein.«
    »Also, eins nach dem anderen. Sie sagen, es gibt noch andere wie uns hier in London, richtig?«
    »Ja.«
    »Wie viele?«
    »Wir sind vier. Ich hab es bei Trish gemacht. Dann Lucy, aber das war ’n Unfall. Dann hat Trish es bei diesem Kerl namens Fergus versaut, also gibt’s ihn auch noch. Er behauptet, er hat es für sich behalten, aber keine Ahnung, ob er lügt. Lucy genauso, was das angeht. Ich mein, ich kenn sie gar nicht, nicht als Mensch.«
    Es dauert einen Augenblick, um festzustellen, dass man nicht träumt. Ich hatte ein Bild von den vieren vor mir, wie sie sich in einem lieblosen Zimmer treffen. Wie eine Selbsthilfegruppe.
    »Wir haben es alle gespürt«, fuhr die junge Frau fort. »Sie, mein ich. Wir so: Da ist doch was im Busch. Da ist jemand. Trish meinte gerade erst, neulich in South Kensington wär sie fast ohnmächtig geworden. Das ist wie ein Dingsda, ein Zwang. Sie hat nicht mal gewusst, was sie da wollte. Das ist wie bei mir, hier drin. Ich bin gar nicht shoppen, ehrlich. Ich bin nur … verstehen Sie?«
    »Ich war in South Kensington«, sagte ich. »Ich habe es auch gespürt. Das ist … Moment mal. Was meinen Sie mit, Sie hätten es bei Trish gemacht?«
    »Sie hat mich drum gebeten.«
    »Worum gebeten?«
    »Na, was glauben Sie wohl?«
    »Sie zu verwandeln ?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Ach, ist ne lange Geschichte. Dazu muss ich weiter ausholen. Sie hatte mehr als nur die übliche Menge Mist zu ertragen. Dann hat sie mitgekriegt, was ich mit diesem Arschloch angestellt habe … Da gab es diesen Mistkerl, Alistair. Also, womit der so alles durchkam, wissen Sie? Ist kompliziert.«
    Ein ruhiger, distanziert ungläubiger Teil von mir füllte die Lücken in der Geschichte von allein. Trish, die von diesem Mistkerl Alistair versklavt wird, die blonde junge Frau, die ihm eines Vollmonds einen Besuch abstattet, Trish sieht einen Ausweg zu einem Leben, in dem sie nie wieder herumgeschubst wird … ›Jake‹, dachte ich, ›du hättest hier sein sollen, um das zu sehen. Der neue Feminismus.‹
    Bei diesem Gedanken kam die offensichtlichste Frage – diejenige, die als erste in der Schlange hätte stehen müssen – plötzlich nach vorn.
    »Und wer hat Sie verwandelt?«, fragte ich sie.
    Sie verdrehte die Augen, als erinnere sie sich an eine absurde Kleinigkeit. »Ach, dieser Typ, mit dem ich mich traf. Er ist verschwunden. Also sind es faktisch vier, außer mir.«
    »Wie hieß er?«
    Zoë hatte aufgehört zu nuckeln, aber ich konnte mich einen Augenblick lang

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