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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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und Menschen in ihrem Leben. Du reißt entsetztes menschliches Fleisch, siehst das samtige Herz, die gummiweiche Leber, und wie sich herausstellt, gehorchen all die verborgenen Dinge des Körpers den Gesetzen deiner Gewalt. Du brichst Knochen und trinkst Blut. Du nimmst ein Leben, und der Diebstahl bleibt ungesühnt. Gott sendet keinen Blitz hernieder. Der Himmel stürzt nicht ein. Am Morgen danach drehst du den Wasserhahn auf, und noch immer fließt Wasser. Werbejin- gles schrauben sich noch immer im Ohr fest. Es ist noch immer gut, den Arm zu heben, um ein Taxi anzuhalten, und wie durch Zauberei kommt aus dem Strom eines auf dich zu. Du tust Dinge, die eigentlich dein Ende bedeuten sollten, und stellst fest, sie verändern dich nur. Das ist eine Enttäuschung, eine Erkenntnis, ein schmerzlicher Verlust, eine neue, erregende Nacktheit. Das ist die grundlegende, prosaische Obszönität: Du machst weiter.
    Ich konnte unmöglich wissen, ob sie tatsächlich jemals das eindimensionale Püppchen gewesen war, als das sie Jake dargestellt hatte, aber wie auch immer, der Fluch hatte sie offensichtlich verändert. Jake zufolge war ihre ganze Persönlichkeit von Unsicherheit getrieben gewesen: Eitelkeit, Materialismus, Boulevardklischees, Fixierung auf die Stars, kosmetische Kenntnisse. All das bildete einen Nebel, der schützend einen Kern aus Angst umkreisen musste. Das alles war dahin. Die Eitelkeit war noch vorhanden, ebenso das verarmte Vokabular und das vollkommene Fehlen jeglicher Leseaktivität. Aber wenn Wolf einen nicht in den Wahnsinn trieb, dann machte er einen klüger. Jedes Opfer zwang einen dazu, ein fremdes Leben in sich aufzunehmen, ob es einem nun gefiel oder nicht. Das Vorstellungsvermögen weitete sich. Man eignete sich fremde Perspektiven an. Neue Sympathien überraschten einen. Man bekam mehr Tiefgang. Die Opfer waren die Lektüre. Und dafür hatte Madeline einen Appetit entwickelt, für diese Expansion, von der sie vorher nichts gewusst hatte.
    Lucy, der »Unfall«, war eine achtunddreißigjährige, frisch geschiedene Augenärztin an der Augenklinik Moorfields, die aus der Scheidung unter anderem ein abgelegenes Landhaus in Wiltshire mitgenommen hatte, wohin sie sich vor drei Monaten zu einem einsamen Wochenende zurückgezogen hatte. Madeline, die genug Grips hatte, nicht vor der eigenen Haustür zu töten, war in der Gegend gewesen, hatte das Haus beobachtet und war durch ein Fenster im oberen Stock eingestiegen. Dann war sie gestört worden. »Ich hab einen Wagen gehört und Leute, die direkt vorm Haus ausstiegen«, erzählte sie mir. »Ich hab Panik gekriegt.«
    Also war sie geflohen und hatte das potentielle Opfer Lucy mit einer schlimmen Bisswunde, einer Horrorstory und einer nagelneuen Konstitution zurückgelassen. »Und so fand ich heraus, wie es funktionierte«, erklärte Madeline. »Lucy spürte mich sechs Wochen später auf.«
    Ja, wenn man von Virenfreiheit ausging, funktionierte das so. Man wurde gebissen, man überlebte, man verwandelte sich. Aber hier war Madeline, die sich ganz sicher war, nicht gebissen worden zu sein. Wie konnte das sein?
    Trish war eine Freundin seit Grundschultagen, die als Leibeigene des Vollidioten Alistair endete. Alistair hatte ein sehr simples System. Er machte Teenagerinnen heroinabhängig und zwang sie dann zu immer extremeren Pornos, um dafür zu bezahlen. Er hatte Trish ein Dutzend Mal ins Krankenhaus gebracht, zuletzt mit vier gebrochenen Rippen und einer Fehlgeburt. Als Madeline sie besuchen ging, hatte Trish sie gebeten, ihr das Geld zu leihen, um Alistair umbringen zu lassen. Madeline hatte ihr ein Angebot gemacht: Wenn Trish versprach, clean zu werden, würde sie jemanden besorgen, der Alistair den Garaus machte.
    Die Angelegenheit war nicht schwer zu arrangieren. Alistair hatte schon seit Jahren versucht, Madeline an die Wäsche zu gehen.
    »Weißt du, was wirklich irre war?«, fragte Madeline. »Ich hab Trish die ganze Geschichte erzählt, was ich bin und was ich mit ihm machen werde – und sie hat es mir einfach abgenommen. Einfach so. Sie meinte, sie wolle zuschauen. Also ließ ich sie zuschauen.«
    Das Problem war nur, dass Trish nicht von dem Zeug loskam, auch nachdem Alistair erledigt worden war. »Sie hat zu viel durchgemacht«, erklärte Madeline. »Das kannst du dir einfach nicht vorstellen. Was er ihr alles angetan hat? Unfassbar.« Angewidert schüttelte sie den Kopf. »Und nach alldem zieht sie los und versucht, sich umzubringen. Zweimal!

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