Baedeker Reisefuehrer Toskana
Neuartig war auch die Konzeption der Reliefs, die die ganze Höhe der Brüstungsfelder einnehmen. Die Figuren heben sich nicht mehr silhouettenhaft von dem Reliefgrund ab, sondern vermitteln durch Überschneidungen einen Tiefenraum. Das intensive Antikenstudium des Bildhauers zeigt sich sowohl in der direkten Übernahme einzelner Figurationen als auch in der veränderten Auffassung der Reliefskulptur sowie in der Natürlichkeit, die viele Einzelfiguren kennzeichnet.
Malerei
Die Tafelmalerei konnte auf keine durchgängige Tradition zurückgreifen. Weitreichende Folgen für die Malerei hatte eine Veränderung in der Liturgie: Da der Priester die Messe nicht mehr hinter, sondern vor dem Altar las, konnte dieser mit einem Tafelbild, einem so genannten Retabel, geschmückt werden. Für die Malerei ergab sich daraus eine neue Aufgabenstellung. Die ältesten Tafelbilder zeigen Christus inmitten von Szenen aus seinem Leben, später treten Heilige hinzu. Guido da Siena fertigte 1260 ein Retabel, auf dem Maria umgeben von vier Heiligen zu sehen ist. Ein häufig gewähltes Thema war auch Christus am Kreuz. Byzantinischer Einfluss ist daran zu erkennen, dass die Darstellung des lebenden Christus durch den toten mit einem leicht nach links gedrehten Körper ersetzt wurde, und an der streng hieratischen Ausgestaltung der Figuren auf allen frühen Tafeln.
Palazzi und Geschlechter- türme
Ende des 11. Jh.s begann für die Städte ein wirtschaftlicher Aufschwung. Als Wahrzeichen einzelner adliger Familien entstanden die Geschlechtertürme, deren Höhe die Bedeutung des Besitzers anzeigte – 15 von ehemals 72 haben sich in San Gimignano erhalten. Eine bedeutende Bauaufgabe kam im 13. Jh. mit dem Kommunalpalast hinzu, dem Amtssitz des Podestà und anderer politischer Organe. Der Palazzo Pubblico in Siena und der Palazzo Vecchio in Florenz demonstrieren eindrücklich die erstarkte Macht der städtischen Bevölkerung. Durch den Abbruch vieler Häuser erhielt im 14. Jh. die Piazza Signoria in Florenz ihre jetzige Form. Zwischen ihr und dem Dom legte man eine monumentale Achse an mit wichtigen Gebäuden wie dem Palazzo Vecchio, der Loggia dei Lanzi, Orsanmichele, dem Campanile und dem Dom. Die Einwohner beteiligten sich auch aktiv an der Ausgestaltung ihrer direkten Umgebung: In Florenz ist schon seit dem Spätmittelalter der Brauch bekannt, öffentliche Aufträge für Bauvorhaben oder eine künstlerische Ausgestaltung als Wettbewerb auszuschreiben, an dem sich jeder beteiligen konnte. Eine weitere florentinische Besonderheit war es, die unterschiedlichen Zünfte mit der Errichtung, Pflege und Instandhaltung einzelner Bauwerke zu betrauen. In Siena wurde eine städtische Verschönerungskommission eingerichtet, die sich um die Ausgestaltung von Straßen und Plätzen kümmerte.
GOTIK
Kirchen
Als Stunde Null der Gotik in der Toskana gilt der Baubeginn der Zisterzienserabtei San Galgano (heute Ruine), die ab 1224 als dreischiffige, rippengewölbte Basilika mit Querhaus und flach abschließendem Chor errichtet wurde. Hierin folgt der Bau dem Vorbild der burgundischen Zisterzienserkirchen , während die Wandgliederung mit Arkaden, Scheintriforien und Lanzettfenstern neue Wege einschlägt. Das Formenvokabular dieser Kirche übte einen starken Einfluss auf die großen Bauprojekte der Zeit aus. Vor allem die Bettelordenskirchen bedienten sich dieses neuen Formenschatzes, wie man u. a. an San Domenico in Arezzo beobachten kann.
Siena und Florenz
Was Florenz und vor allem Pisa für die romanische Baukunst bedeutet hatten, war Siena für die Gotik. Im frühen 13. Jh. fassten die Sienesen zum ersten Mal den Plan, dem romanischen Dom ein neues Gesicht zu geben. Im Ostteil betraf die Umgestaltung das Querschiff, den geraden Chorabschluss, die quadratischen Chorseitenkapellen und die gewaltige Kuppel, die die sechseckige Vierung überspannt. Im ungewöhnlich hohen Langhaus wurden Gewölbe eingezogen. Die ab 1284 von Giovanni Pisano neu gestaltete Fassade sollte durch ihre Höhe und die Fülle des plastischen Schmucks an den drei Portalen einen größeren Kirchenraum vortäuschen, als das dahinter liegende Langhaus tatsächlich barg. Rund 50 Jahre später verfolgte man einen noch ehrgeizigeren Plan, der sich aber schließlich als nicht realisierbar erwies: Man wollte das Langhaus des Doms zum Querschiff der neuen Kirche umfunktionieren und ein Langhaus in viel größeren Dimensionen anfügen. Nachdem ein Teil des Seitenschiffs gebaut war,
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