Baedeker Reisefuehrer Toskana
wissenschaftlicher Methoden zwar realistisch, aber gleichzeitig mit idealem Charakter wiederzugeben versuchte. In den Werken der Antike sahen die Renaissancekünstler ihre Vorbilder. Eine Leitidee der Antikenbegeisterung war der Gedanke, dass die »Würde und Vortrefflichkeit des Menschen« in seiner Individualität begründet seien, nicht im göttlichen Heilsstand. Jedem Menschen wurde ein individueller Wissens- und Wirkungskosmos zugestanden. Dies hatte für die Künste gravierende Folgen. Früher ein schlichter Handwerker, sah sich der Künstler nun als Humanist, der kraft seiner »virtù«, seiner Tüchtigkeit, individuell Gedachtes in individuellen Werken formuliert. Und tatsächlich gewinnen die künstlerischen Schöpfungen ein Niveau naturwissenschaftlicher, malerischer, kompositorischer und inhaltlicher Berechnung, das den Begriff des Handwerks bei Weitem übersteigt.
Architektur: Brunelleschi und Alberti
Zwei Persönlichkeiten haben die Renaissancearchitektur maßgeblich geprägt, Brunelleschi und Alberti. Filippo Brunelleschi (Berühmte Persönlichkeiten), der Erbauer der Domkuppel in Florenz, gilt als der Erneuerer der Baukunst. Klare Gliederung, geometrisch proportionierte Formen, Gleichmaß der Raumdisposition auch bezüglich ihrer Beleuchtung, die Verwendung von antiken Motiven und die Aufnahme von Elementen der byzantinischen Tradition kennzeichnen seine Arbeiten. Leon Battista Alberti lieferte sozusagen den theoretischen Überbau mit seinen architekturtheoretischen Schriften. Außerdem betätigte sich der humanistisch Gebildete als Baumeister und Berater an Fürstenhöfen.
Kirchen
Die klassische Renaissancefassade wurde an Santa Maria Novella in Florenz entwickelt und knüpfte mit ihren monumentalen Blendarkaden im Erdgeschoss und den weiß-grünen Inkrustationen an die Florentiner Proto-Renaissance an. Neu hinzu kamen u. a. die großen Voluten als Verbindung zwischen dem Langhaus und den niedrigeren Seitenschiffen. Ein wegweisender Bau war ferner die Kirche Santa Maria dei Carceri in Prato, die Giuliano da Sangallo entwarf. Mit dem Zentralbau wurde das alte Thema der Martyrienkirche wieder aufgenommen.
Profanbauten
Stärker denn je manifestierte sich der Stilwille in der profanen Architektur. Die burgartigen Wohnkomplexe der Adelsfamilien wurden durch die Stadtpaläste der Fürsten und der führenden Familien des Quattrocento (15. Jh.) abgelöst. Die Palazzi wurden durch ihren regelmäßigen Aufbau, eine klare Stockwerkseinteilung und eine symmetrische Fassadenanordnung auf eine monumentale Wirkung ausgerichtet. Eine wichtige Veränderung im Grundriss stellte die Verlegung der Treppe vom Hof in das Innere des Gebäudes dar, wodurch die quadratischen Arkadenhöfe entstanden. Wappen und allegorische Anspielungen an Friesen, Kapitellen, Tür- und Fensterrahmen verwiesen auf den Bauherrn. Die dreigeschossige Fassade des Palazzo Rucellai in Florenz (begonnen um 1457) übernahm mit ihrer Gliederung durch Pilaster, die dorisch im Erdgeschoss, ionisch im ersten und korinthisch im zweiten Obergeschoss ausgeführt wurden, die Säulenordnung des Kolosseums von Rom.
BAEDEKER WISSEN !
Renaissance
Grafik downloaden: www.baedeker.com/ebooktoskana-downloads/renaissance
Der berühmte »David« von Michelangelo auf der Piazza della Signoria in Florenz. Das Original steht in der Galleria dell‘ Accademia.
Plastik
In der Toskana blieben die Einflüsse Giovanni Pisanos bis zum Ende des 14. Jh.s beherrschend, doch dann vollzog sich zu Beginn des Quattrocento ein grundlegender Wandel . In Florenz entstand das Bedürfnis, die unvollendeten Bauten fertigzustellen: die Bronzetüren des Baptisteriums, den Statuenzyklus von Orsanmichele, den Bauschmuck für den Dom und den Kampanile – alles anspruchsvolle Aufgaben für die Bildhauer, die die neue Vorstellung vom Menschen bildnerisch umsetzen sollten. Folgerichtig entstand die selbstständige, frei stehende Plastik, eine bahnbrechende Neuerung, die außerhalb Italiens erst viel später aufgegriffen wurde. Eines der ersten Beispiele einer frei stehenden Plastik schuf Donatello (Berühmte Persönlichkeiten) mit dem »David« um 1430/1433 (Florenz, Museo Nazionale del Bargello). Das gründliche Studium am lebenden Modell war die Voraussetzung für die Gestaltung von Körperhaltung und -oberfläche, auf der sich Knochen, Muskeln und Sehnen abzeichnen. Die sinnliche Schönheit und die Nacktheit waren völlig neu. Der Bildhauer lernte von der Antike, ohne sie zu kopieren, er
Weitere Kostenlose Bücher