Bär, Otter und der Junge (German Edition)
deswegen anzulügen.“ Ich weiß, ich weiß. Das ist nicht genau, was passiert ist. Wenn Anna nicht dagewesen wäre, würden wir wahrscheinlich noch immer auf der Couch sitzen, er seine Frage wiederholend und ich mit offen hängendem Mund. Was auch immer. „Er hat wieder und wieder bewiesen, dass er mehr als fähig ist, mit Dingen klarzukommen, die die meisten von uns das Weite suchen lassen würden“, erkläre ich Creed. „Warum sollte man es ignorieren, wenn er es ohnehin eines Tages herausfindet?“
Sei vorsichtig, Bär , flüstert sie. Du bist beinahe an dieser kritischen Stelle angekommen. Aber zumindest hast du dich schon durch Wut und Verleugnung gearbeitet, nicht wahr? Oh, die einzelnen Stufen sind so ein Spaß! Ich denke, Akzeptanz ist nur noch ein Katzensprung entfernt! Christopher-Street-Day - wir kommen! It's raining men, Ma`am - YMCA! HALLELUJAH!
Ich sehe von Creed weg.
„Der Junge weiß es also?“, fragt Creed ehrfürchtig. „Na ja, das ändert vieles. Ich muss wirklich aufpassen, was ich sage. Du denkst doch nicht...“ Er hält inne und sieht hinunter auf sein Bier, das er zwischen seinen Händen hin und her bewegt.
„Denke was?“, frage ich neugierig.
Er zögert, und sagt dann, „Du denkst doch nicht, dass Otter... sich durch das, was ich sage, angegriffen fühlt?“ Er beginnt, schneller zu reden. „Ich mein, mir ist es egal, mit wem Otter schläft. Mir ist es egal, dass er eine Schwuch- schwul ist. Mir ist egal, dass er schwul ist. Warum nicht?“ Er grinst schwach. „Er ist mein Bruder. Ich wende mich nicht von ihm ab, nur weil er Schwänze lieber mag, als das gute Zeug.“
Ich lache leise. „Du hast eindeutig deinen Sinn für warme Worte nicht verloren.“
„Bär, ich meine es ernst!“, ruft er aus. „Glaubt Otter wirklich, dass ich irgendein prügelnder Schwulenhasser bin? Ich dachte, er weiß, dass ich das immer nur im Spaß gesagt habe!“
Ich verdrehe die Augen. „Er denkt das kein Stück, du Idiot. Otter hätte dich schon vor Jahren windelweich geprügelt, wenn er das gedacht hätte.“ Ich grinse und nippe wieder an meinem Bier. „Er findet, wir sollten dir sogar sagen, dass –“ Ich erstarre, als mir die Worte im Hals steckenbleiben. Meine Zunge bleibt am Gaumen kleben und ich fühle, wie sich mein Magen umdreht. Wieder einmal hat mein Hirn vergessen meinen Lippen zu sagen, dass es ihnen ohne vorangegangene Autorisierung nicht gestattet ist, zu sprechen. Oh mein Gott! , kreischt mein Verstand. Alarmstufe Rot! Alarmstufe Rot! Mach dich bereit und HALTE DEINE GOTTVERDAMMTE KLAPPE! Ich halte die Bierflasche so fest, dass ich Angst habe, sie wird in meinen Händen zerbrechen. Ich denke, dass ich ein Ablenkungsmanöver einleiten sollte, denn Creed starrt mich verblüfft an und wartet darauf, dass ich meinen Satz beende.
„Mir was sagen?“, fragt er.
VON UNS! , brüllt die Stimme. ER DENKT, WIR SOLLTEN DIR VON UNS ERZÄHLEN! CREED! KANNST DU MICH HÖREN? BÄR VÖGELT DEINEN BRUDER! DU DÄMLICHER IDIOT, ER VÖGELT DEINEN BRUDER!
„Bär?“
Ich versuche, ihn anzulächeln, aber ich weiß, dass es nicht mehr als eine Grimasse ist. Wieder einmal hat sich ein blendender Moment der Panik in mir manifestiert, und mir fällt absolut nichts ein, was ich sagen könnte. Die kleine Stimme in meinem Kopf schreit, bittet, droht und bettelt munter weiter, dass ich die Wahrheit sagen soll. Für den Bruchteil einer Sekunde übernimmt sie die Kontrolle, und mein Mund öffnet sich, um auszupacken, als ich ihn auch schon wieder zuschnappen lasse, nachdem ich mir die Oberhand zurück erkämpft habe. Es könnte alles vorbei sein! , heult sie wütend. Es könnte alles vorbei sein, wenn du nur den Arsch dazu in der Hose hättest! Was glaubst du, wie schlimm es schon werden kann, wenn er hier vor dir steht, praktisch auf den Knien vor Sorge, was Otter von ihm halten könnte? Das ist kein Mann, der dich hassen wird. Nun, er wird geschockt sein, aber das wird vergehen! Sag einfach, was es da an diesem geheimen Ort gibt, den du unter Verschluss hältst. Oh bitte, Bär. Verstecke es nicht länger! Ich öffne wieder meinen Mund, nicht sicher, was herauskommen wird, als ich durch Otters Rückkehr in die Küche gerettet (verflucht? zurückgehalten?) werde.
Creed ergreift die Gelegenheit beim Schopf. „Also, hast du Geheimnisse vor mir!“, ermahnt er seinen Bruder.
Otter sieht erstaunt aus. „Ähm, was? Geheimnisse über was?“ Er sieht mich an, und ich möchte wild mit den Armen
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