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Bär, Otter und der Junge (German Edition)

Bär, Otter und der Junge (German Edition)

Titel: Bär, Otter und der Junge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: TJ Klune
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Otter. In seinen Augen liegt Entschlossenheit.
    „Hi, Otter“, sage ich. Als ich ihn ansehe, muss ich gegen das Verlangen ankämpfen, seinen Arm wegzuschieben.
    Einen Moment lang sieht er aus, als wolle er etwas sagen, aber irgendwas muss ihm in den Sinn gekommen sein, das es ihn hinunterschlucken lässt. Er gibt mir eine einarmige Umarmung. Dann macht er einen Schritt zurück, stellt sich mir gegenüber und sieht auf das Bier in seiner Hand. Ich frage mich, was gerade geschehen ist und was er sagen wollte. Ich frage mich eine Menge Dinge, aber sie werden von dem Regen auf dem Dach übertönt. Ich sehe zu Creed, aber dessen Aufmerksamkeit ist noch immer auf das verschüttete Bier gerichtet und er hatte nichts gesehen. Nicht, dass es etwas zu sehen gegeben hätte. Ich sehe wieder zu Otter auf und versuche das Chaos, das in meinen Kopf herrscht, zu sortieren, als er sagt: „ Also, was gibt’s Neues, Papa Bär?“
    Ich zucke die Schultern. „Das Gleiche wie immer, schätze ich. Und bei dir? Ich hab dich nicht mehr gesehen seit... wann? Vorletztes Weihnachten?“ Diesen letzten Teil sage ich ein wenig kühl. Wir wissen beide verdammt genau, wann das letzte Mal war, dass ich ihn gesehen habe.
    Er ist im Begriff zu antworten, wird diesmal allerdings von Creed unterbrochen. „Ja, was geht ab, Otter? Nicht, dass es mich stören würde, aber wie kommt es, dass du hier bist? Ist San Diego zu viel für dich?“
    Otter zuckt mit den Schultern und ich denke nicht mehr, dass er antworten wird, als er sagt: „Hatte das Gefühl, dass ich für eine Weile einen Tapetenwechsel brauchen könnte.“ Er nimmt einen weiteren Schluck von seinem Bier und spricht nicht weiter, was mich, verdammt nochmal, in den Wahnsinn treibt.
    Er hatte seinen Abschluss an der University of Oregon in Eugene gemacht und war danach noch eine Weile in Seafare geblieben. Nachdem meine Mom gegangen war, ist so einiger Scheiß passiert und dann war Otter ebenfalls auf und davon. Ich habe ihn in den letzten drei Jahren nur ein einziges Mal gesehen. Ich weiß, dass er da unten für irgendeine Fotoagentur arbeitet und seine Bilder anscheinend schwer angesagt sind. Das Haus, in dem ich mich gerade befinde, ist voll von seinen Aufnahmen. Das Äquivalent seiner Mutter, für das Aufhängen von Buntstiftzeichnungen und guten Testergebnissen am Kühlschrank.
    „Hmhm“, sagt Creed. „Bist du sicher, dass du keinen Ärger mit deinem Freu-“
    „Onkel Creed?“ ruft der Junge vom Wohnzimmer aus und unterbricht Creed damit. Allerdings nicht, bevor ich den warnenden Blick sehen kann, den Otter ihm zuwirft.
    „Creed grinst und ruft zurück, „Was los, Junge?“
    „Hat Otter schon mein Sojaeis geholt?“
    Otter lacht. „Ist das deine Art mir zu sagen, dass ich mich auf den Weg machen soll?“
    „Ja. Ich hab versucht nicht unhöflich zu sein, aber ich hätte gern das Eis, bevor meine Sendung losgeht.“
    „Was für 'ne Sendung ist das?“, frage ich, und versuche mich daran zu erinnern, ob er es mir erzählt hat.
    „Es geht um die Geschichte der Schlachthäuser in den 1920ern“, ruft er zurück.
    „Um Himmels Willen“, murmle ich vor mich hin. Gibt es eine bessere Spaßbremse, als ein Beitrag darüber, wie Hamburger gemacht werden? Und nichts ist so langweilig, wie die Historie dazu. Ich drehe mich um, um mich bei Creed und Otter zu entschuldigen, aber Creed hält mich auf, als er bemerkt, was ich vorhabe.
    „Halt die Klappe, Bär, und lass den Jungen machen, was er will.“ Er trinkt den letzten Schluck seines Biers, greift nach einem neuen, und sagt: „Abgesehen davon, will ich es auch sehen. Ich will herausfinden, wie lange ich brauche, bis ich betrunken genug bin, dass es lustig wird. Warum gehst du nicht mit ihm?“, fragt er mich. „Gib Ty ein wenig Onkel-Creed-Zeit und dir selbst eine Pause.“
    Mir fallen spontan mindestens vierhundert Gründe ein, warum das eine schlechte Idee ist, und sehe nach Otter, der nach seinen Schlüsseln sucht. „Willst du, dass ich mitkomme?“, frage ich. Im dem Moment, in dem ich die Worte ausspreche, bereue ich sie bereits. Mein Mund hat die schlechte Angewohnheit, sich von selbst zu bewegen.
    Er sieht überrascht aus, stimmt jedoch eifrig zu. Ich sage ihm, dass ich gleich wieder da bin, und mache mich auf in Richtung des Jungen.
    Ich gehe durch den Flur und halte hin und wieder an, um mir die Bilder an den Wänden anzusehen. Dort hängt eines, von vor vielleicht fünfzehn Jahren; von Creed, Otter und ihren Eltern. Es

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