Bär, Otter und der Junge (German Edition)
es beinahe sieben ist. „Hast du dein Handy dabei?“, frage ich. Er nickt erneut und zieht es aus seiner Tasche. „Alles klar dann. Ich bin gleich wieder da, aber ruf an, wenn du musst.“ Er nickt wieder, bereits zurück bei seiner Sendung. Ich berühre seinen Kopf noch einmal und gehe zurück zur Küche.
Möglicherweise erscheint es dir eigenartig, dass er ein Handy besitzt, möglicherweise auch nicht. Es scheint so, als hätten heutzutage viele Kinder in seinem Alter eines. Es ist nicht wirklich etwas, das ich mir zurzeit leisten kann, aber ich bekomme es irgendwie hin. Ich habe, kurz nachdem Mom gegangen ist, festgestellt, dass es für ihn einfacher ist, von mir getrennt zu sein, wenn er die Möglichkeit hat, mich zu erreichen. Er benutzt das Handy niemals, um jemand anderen anzurufen und abgesehen von Creed, Anna, Mrs. Paquinn (unsere Nachbarin von nebenan; später mehr von ihr) und gelegentlich Otter, ruft auch niemand ihn über dieses Telefon an. Wenn ihn jemand erreichen möchte, dann tut er es durch mich.
Ich bin gerade dabei, die Küche wieder zu betreten, als ich gedämpfte Stimmen höre und innehalte. Ich fühle mich auf der Stelle schuldig dafür, dass ich lausche. Aber ich höre trotzdem zu. Sie reden über mich, also schätze ich, ich habe ein Recht darauf zu hören, was sie zu sagen haben.
„Was hast du dir dabei gedacht, so etwas zu ihm zu sagen?“, zischt Otter.
„Von was zum Teufel redest du da, Otter?“ Creed klingt gleichzeitig leicht belustigt und leicht angepisst, wofür er ein ausgesprochenes Talent besitzt. „Er weiß es schon. Ich hab's ihm vor einer Weile erzählt. Es ist keine große Sache. Es ist ihm egal.“
„Davon rede ich nicht! Es ist mir scheißegal, wer es weiß!“ Otter klingt aufgebracht und der Atem stockt mir in meiner Brust, als ich plötzlich nicht will, dass er weiterspricht. Aber er tut es trotzdem. „Es geht nicht darum ! Himmel, Creed! Wenn du nur wüsstest...“ Halt die Klappe , Otter! Halt die Klappe! „Abgesehen davon, wenn ich wollte, dass er irgendetwas weiß, hätte ich es selbst gesagt. Halt dich raus!“
Aber Creed macht weiter: „Also das ist in Wirklichkeit der Grund, warum du zurück bist, stimmt's? Es hat nicht funktioniert, zwischen dir und wie-war-doch-gleich-sein-Name?“
„Creed, ich schwöre bei Gott, lass gut sein! Ich will jetzt nicht darüber reden!“ Ich höre, wie jemand seine Bierflasche auf den Küchentresen knallen lässt und nehme an, dass es Otter ist.
„Mach locker, großer Bruder. Wie gesagt, Bär ist es so oder so egal.“
Oh, Creed.
Stille senkt sich über die Küche und mir wird klar, dass ich noch immer den Atem anhalte. Ich stoße ihn langsam aus, hasse, wie gepresst es sich anfühlt. Aber das war näher dran, als ich es jemals ausgesprochen hören wollte. Es geht nicht darum...wenn du nur wüsstest! Seine Worte hallen in meinen Ohren und ich fühle mich, als hätte ich Watte in meinem Kopf. Okay. Da könnte es noch etwas anderes geben, das ich dir erzählen sollte –
„Was machst du da, Bär?“, fragt der Junge laut von irgendwo hinter mir. Ich zucke ein wenig zusammen und stoße mit dem Kopf gegen die Wand. Ich erwische eines der Bilder, und einen Moment später höre ich wie es auf dem Boden klirrt. Verflucht nochmal, Junge!, denke ich ärgerlich und weiß, dass ich wütender auf mich, als auf ihn bin. Ich sehe hinüber zu Ty, der im Flur steht, Hände in den Taschen und seine Lippen formen ein großes O. Ich murmle etwas Unverständliches und bücke mich, um das Glas aufzuheben, bevor er hineintritt. Creed kommt aus der Küche und ich kann sein Grinsen auf meiner heißen Haut spüren.
„Tut mir leid“, sage ich durch zusammengebissene Zähne.
„Was zum Teufel?“, fragt er unbeschwert. „Kein Grund, in meinem schönen Haus einen auf Randale zu machen.“
Ich stoße ein harsches Lachen aus. Ich blicke auf das Bild hinab und stelle fest, dass es ein weiteres ist, das Otter geschossen hat. Es zeigt Creed und seine Mom bei unserem High-School-Abschluss. Ich stehe irgendwo an der Seite, außerhalb des Bildes und halte Tys Hand und das Schild mit der Aufschrift „Yay, Bär!“, das er und Mrs. Thompson für mich gebastelt hatten. Das Bild fängt einen perfekten Moment aus Creeds wilder Jugend ein, Diplom in einer Hand, seine andere um seine Mom gelegt. Das Lächeln auf seinem Gesicht ist so riesig, dass man beinahe seine perfekten weißen Zähne zählen kann. Nun, man hätte es tun können, bevor das
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