Bär, Otter und der Junge (German Edition)
mich brauchen.
Also schalte ich mich selbst aus.
Ich lege mich zurück in den Sand, die brechenden Wellen flüstern in meinem Rücken. Ich fühle mich, als würde ich treiben. Der Mond ist hell und die Sterne kalt, Steinchen aus Eis, die darauf warten, dass die Welt aufhört sich zu drehen. Aber es fühlt sich gut an, sich einfach so treiben zu lassen. Sie will sprechen, mir sagen, dass ich überreagiert habe, dass ich kein Recht hatte, mich so zu benehmen. Ich schiebe sie von mir, und sie treibt aufs Meer hinaus. Im Moment ist es besser, nicht denken zu müssen.
Mein Telefon piepst. Nachricht. Nachricht en .
Ich hebe es ruhig hoch und drücke es gegen mein Ohr.
Otter: Creed hat mir alles erzählt, du dämliches Arschloch, sagt er mit belegter wütender Stimme. Oh Gott, er hat mir alles erzählt. Er hat gesagt, warum. Er hat mir gesagt, warum du hergekommen bist. Ich wusste nicht, dass Jonah kommen würde! Er ist einfach aus dem Nichts aufgetaucht. Wenn du, verflucht nochmal, nicht gleich abhebst, schwöre ich bei Gott, dass ich dich umbringe.
Seine Stimme. Seine Worte. Auch sie treiben aufs Meer hinaus.
Creed: GEH AN DEIN SCHEISS TELEFON! Wie kannst du's wagen, einfach so abzuhauen? Nach allem, was wir uns in der letzten Woche gesagt haben, wie kannst du es verdammt nochmal wagen? GEH ANS TELEFON!
Anna: Bär, wir sind hier alle am Durchdrehen. Creed und Otter sind dabei, den Verstand zu verlieren, und ich bin auch kurz davor. Es tut mir so leid, dass du's so rausfinden musstest. Bitte. Ruf einen von uns zurück und sag uns, wo du bist.
Mrs. Paquinn: Oh, mein lieber Junge. Du hättest es mir einfach sagen sollen. Du musst mich zurückrufen. Ich will nicht, dass du jetzt alleine bist. Lass es Tyson nicht so herausfinden.
Otter: Wir fahren jetzt zu deiner Wohnung. Du musst da sein. Du musst einfach.
Otter: Bitte. Bär. Bitte heb ab.
Alles fliegt hinaus aufs Meer und treibt davon. .
M EIN R ÜCKEN ist voller Sand. Mir ist kalt. Da sind mehr Anrufe. Ich ignoriere sie. Es gibt mehr Nachrichten, doch ich lösche sie.
D IE Sonne taucht gerade am Horizont auf, als der Junge den Strand hinunterläuft. Zuerst denke ich, er muss Teil eines Traums sein, dass er ebenfalls vom Ozean verschluckt werden wird, aber dann beugt er sich nach vorne und fährt mir mit den Händen durch die Haare. Er fühlt sich so lebendig an.
„Wie?“, frage ich.
Er schnaubt. „Es war nicht schwer herauszufinden, wo du sein würdest. Ich bin überrascht, dass es sonst niemand wusste.“
Ich setze mich auf und fühle Sand an meinem Rücken kleben. Es sieht mich an, mit diesen wissenden, intelligenten Augen. Ich sehe mich nicht um, denn ich weiß, dass er nicht allein gekommen sein kann. Aber ich spüre sonst niemanden am Strand, also sind es nur wir beide. Erst einmal.
„Warum bist du nicht nach Hause gekommen?“, fragt er.
Ich zucke mit den Schultern. „Ich konnte nicht.“
Er schüttelt den Kopf und klettert auf meinen Schoß. Er trägt noch immer seinen Schlafanzug, und ich will nicht, dass er nass wird. Aber er ignoriert mich und lehnt sich gegen mich.
Einige Sekunden lang sind wir still. Dann: „Vertraust du mir?“
Ich sehe überrascht auf ihn hinunter. „Immer.“
„Erinnerst du dich daran, als ich gesagt hab, dass ich nur ein kleiner Junge bin und mich nicht selbst um dich kümmern kann?“
Ich nicke.
Er lehnt sich zurück und legt seine Hände auf mein Gesicht. „Vertraust du mir, dass ich mich um dich kümmere?“
Ich kann nicht anders; ich drücke ihn an mich, fühle seine Wärme. „Ich weiß, dass ich Mist gebaut hab, Junge.
Er lacht leise. „Hast du. Aber du hast Glück, jemanden wie mich zu haben, der's dir sagt.“
„Sie haben mich angelogen.“
„Anna und Creed?“
Ich nicke.
„Sie haben dich mit gar nichts angelogen. Du hast nie gefragt. Sie haben nur beschlossen, es dir nicht zu erzählen. Nicht, bis sie sich damit wohl gefühlt haben, es allen zu sagen. Kommt dir das bekannt vor?“
„Aber –“
Er schüttelt wieder den Kopf. „So ist es nun mal, Bär. Sie haben genau das Gleiche gemacht wie du. Und du erinnerst dich wie das gelaufen ist, oder? Sie alle haben dir beigestanden, ohne jede Frage.“
Ich lasse den Kopf hängen.
„Ich bin vielleicht nicht der größte Junge der Welt und vielleicht auch nicht der Schlauste, und ich hab noch nicht genug gesehen, um alles zu wissen, was es zu wissen gibt, aber eins weiß ich: Verliebte Leute tun dämliche Dinge. Du solltest das besser
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