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Bär, Otter und der Junge (German Edition)

Bär, Otter und der Junge (German Edition)

Titel: Bär, Otter und der Junge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: TJ Klune
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war alles gesagt worden.

    D ER J UNGE führt mich an der Hand, als wir die Stufen zu meiner Wohnung emporsteigen. Er holt den Hausschlüssel aus dem Versteck in seiner Unterwäsche („Schlafanzüge haben keine Taschen, Bär, hör also auf zu lachen!“) und schiebt ihn ins Schloss. Der Mechanismus dreht sich und klickt. Die Tür öffnet sich, und der Junge zieht mich hinein.
    Sofort gibt es einen Aufruhr, als unsere Familie, angeführt von Otter, in den Flur stürzt. Er sieht uns in der Tür stehen und zögert. Anna, Creed und Mrs. Paquinn spähen über seine Schulter. Wir alle stehen einen Moment still und starren uns an. Es sollte peinlich sein, aber das ist es nicht. Ich nehme ihren Anblick in mich auf, seinen Anblick. Seine Brust hebt und senkt sich hastig. Sein breiter, starker Oberkörper dehnt den Stoff seines Shirts beunruhigend. Seine Arme sehen noch massiver aus als sonst, als er sie vor der Brust verschränkt. Sein Mund ist eine schmale, ernste Linie, seine Nasenflügel beben, seine Stirn ist gerunzelt, aber seine Augen - seine Augen sind die Selben. Ich schätze, das werden sie immer sein.
    „Es tut mir leid“, sage ich, ohne den Blick von ihm abzuwenden. Ich weiß irgendwie, dass er verschwinden wird, wenn ich wegsehe und dass mir dann klar werden würde, dass alles nur ein Traum gewesen ist. Ich versuche meine Stimme fest klingen zu lassen, aber die Nacht war zu lang, als dass das möglich wäre. Sie bricht ein wenig, und etwas in Otter rastet ein, und er stürmt mit entschlossenem Blick auf mich zu, will mich in die Arme nehmen, aber ich weiß, dass dann niemals gesagt werden wird, was gesagt werden muss. Ich hebe abwehrend meine Hand und mache einen Schritt zurück. Ich hoffe bei Gott, dass ich diesen Ausdruck in seinen Augen nie wieder sehen muss. „Noch... noch nicht, Otter. Ich muss zuerst mit euch allen reden. Dann... dann sehen wir weiter.“
    Er nickt angespannt, dreht sich um und schiebt die anderen ins Wohnzimmer. Der Junge zieht mich am Arm und - Überraschung, Überraschung - zufällig ist der einzige freie Platz der rechts neben Otter. Der Junge sieht mich erwartungsvoll an und macht eine Kopfbewegung zu der freien Stelle. Er lässt mich los und setzt sich auf Creeds Schoß.
    Ich bewege mich vorsichtig, überschlage die Zahl der Schritte um zu Otter zu kommen. Sieben. Ich brauche drei Sekunden, um mich umzudrehen und hinzusetzen. Ich knacke vier Mal mit den Knöcheln. Ich zähle leise bis zehn. Ich denke zwölf Sekunden darüber nach, was ich sagen soll, fünf, um mir darüber klar zu werden, dass ich ohnehin keine Kontrolle darüber haben werde, siebzehn, um mit mir selbst zu streiten, zehn, um die Stimmen in meinem Kopf zum Schweigen zu bringen. Inzwischen ist eine volle Minute in völligem Schweigen verstrichen. Wenn uns jemand sehen würde, ohne zu wissen was los ist, würde er wahrscheinlich annehmen, wir wären Pantomimen ohne Pantomine. Nur traurige Pantomimen.
    Schließlich benimmt sich Mrs. Paquinn wie Mrs. Paquinn und unterbricht meinen intelligenten inneren Monolog mit den Worten: „Bär, ich schätze, es muss ziemlich unbequem sein, Sand in der Poritze zu haben. Vielleicht solltest du dich umziehen gehen. Du willst dir ja wohl keine Sandläuse einfangen. Wo liegt der Sinn, da unten Läuse zu bekommen, wenn du dabei keinen Spaß hattest?“
    „Sandläuse?“, sprudelt es aus mir heraus.
    „Sandläuse“, wiederholt sie. Ich kann mir nur vorstellen, das der Rest des Tages eher unschön für dich verlaufen wird, wenn du zum Arzt gehen und erklären müsstest, wie du eine sexuell übertragbare Krankheit bekommen konntest, ohne sexuell aktiv gewesen zu sein.“
    „Sind Sandläuse sexuell übertragbar?“, sinniert Creed laut.
    „Oh ja“, antwortet Mrs. Paquinn. „Ich denke wohl, dass das der Wahrheit entspricht, wobei ich das nicht sicher behaupten kann, denn dann würde ich lügen. Aber es klingt echt, nicht wahr?“
    „Man kann sich Läuse von einem Toilettensitz holen“, fügt der Junge hinzu. „MSNBC hat diese Schwarzlicht-Sache in Hotelzimmern gemacht, und da haben sie Läuse im Bad und Ejakulat an der Decke gefunden.“
    Passiert das hier wirklich?
    „Ach du lieber Himmel“, seufzt Mrs. Paquinn. „Wie ist es denn bis da oben gekommen?“
    „Die Läuse?“, trägt Anna bei. „Naja, ich bin ziemlich sicher, dass sie von einem runterspringen können…“
    „Nein, Liebes“, unterbricht sie Mrs. Paquinn. „Das Ejakulat an der Decke. Das scheint einfach nicht

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