Bär, Otter und der Junge (German Edition)
Schluss machen sollten. Otter weiß, dass sie das sollten, denn er kann Jonah keine Versprechungen machen. Aber er erlaubt sich selbst, egoistisch zu sein. Er umarmt Jonah fest und bettelt ihn an, ihn nicht zu verlassen. Jonah zittert gegen ihn und sagt, dass er bleiben wird, auch wenn sein Verstand ihm etwas anderes sagt. Otter lässt ihn für eine lange Zeit nicht los.
In der darauffolgenden Woche bringt er das Foto in den Lagerraum, den er gemietet hatte, als er in San Diego angekommen ist. Er küsst es einmal, bevor er es zurücklässt.
Sechs Monate später zieht er mit Jonah zusammen.
Er ist glücklich. Die Arbeit ist gut. Jonah ist fantastisch. Das Leben ist gut. Er hat eine tolle Bräune bekommen. Er hat gute Freunde. Er hat geilen Sex. Er verdient gutes Geld. Er hat ein erfülltes Leben. Er könnte nicht nach mehr fragen. Er redet hin und wieder mit Anna und Creed und er fragt niemals nach mir und niemand erzählt ihm etwas. Aber das ist okay. Er denkt nicht mehr so häufig an mich. Ich bin immer noch in seinen Gedanken, aber es ist mehr wie ein Hintergrundrauschen in seinem Kopf. Das ist für ihn okay. Das Gleichgewicht ist hergestellt. Er sagt sich selbst, dass er dafür sorgt, dass es hergestellt ist. Er sagt sich selbst, dass es hergestellt sein muss.
Für eine Weile ist alles gut und fantastisch. Und dann hört es auf.
Er findet sich selbst unzufrieden mit seiner Arbeit. Er hat sich selbst immer als Künstler gesehen. Er weiß, dass er gute Arbeit leistet, viele Menschen haben ihm das gesagt. Er ist sehr bescheiden, was sein Talent betrifft, aber er weiß, dass er das Potential hat, noch besser zu werden. Er weiß auch, dass Künstler manchmal nicht das Ziel erreichen, das sie für sich selbst gesteckt haben. Manchmal ist es zu hoch, manchmal ist es einfach nicht möglich. Er beginnt das zu verstehen, als er seine Projekte betrachtet, die in verschiedenen Entwicklungsstadien stecken. Sie sind alle... scheiße. Sie müssen alle entsorgt werden. Er muss alles noch einmal von vorne beginnen. Als er es versucht, stellt er fest, dass er keine Ideen hat. Er findet keine Inspiration. Alles, was er anfasst ist schal, ist gewöhnlich, ist langweilig.
Jonah beginnt, über Ringe und Bindungen und Für-Immer zu sprechen. Es gibt Gerüchte, dass Kalifornien bald die Homoehe legalisieren wird. Jonah macht niemals einen vollständigen Antrag, aber die Absicht steht im Raum. Verrückterweise beginnt Otter zu hoffen, dass das Gesetz nicht durchkommen wird. Er will herausfinden, wann und wo abgestimmt wird und dagegen stimmen. Er will herausfinden, welcher Richter es in Erwägung zieht und dann vor dessen Büroräumen protestieren. Er will alle Konservativen zu einer Sitzung rufen, nur um sicher zu gehen, dass Schwule niemals heiraten dürfen. Er zieht in Erwägung, der Tea Party beizutreten. Er schmiedet in seinem Kopf böse Pläne. Er beginnt, sein Interesse an Sex zu verlieren, aber das ist okay, denn Jonah arbeitet in letzter Zeit viel und scheint ohnehin nicht großartig interessiert zu sein.
Dies geht Monate so. Otter denkt, er verliert den Verstand.
Das ist der Zeitpunkt, als das wirklich verrückte Zeug beginnt.
Er ist auf der Arbeit und brütet über Ausdrucken für eine Werbeaktion für Jonahs Firma. Nichts ist so, wie er sich es vorgestellt hat. Er flucht leise und reibt sich die Augen. Er kann Kopfschmerzen aufziehen spüren. Er ist schon dabei, den Hörer zu nehmen und Jonah anzurufen, als jemand am Studioeingang vorbeigeht. Menschen laufen den ganzen Tag auf diesem Bürgersteig, also ist er unsicher, warum ihm ausgerechnet diese Person aufgefallen ist. Unsicher, bis er ihn vollständig sieht. Im einen Moment wählt er noch, im nächsten liegt sein Telefon schon auf dem Boden, wo es zerspringt. Er rennt zur Tür, sein Herz donnert, sein Puls rast. Er hat mich gerade gesehen, gerade gesehen wie ich an der Eingangstür vorbeigehe. Es ist kein Zufall und er weiß es. Wenn ich hier in San Diego bin und an diesem speziellen Ort vorbeigehe, dann bin ich wegen ihm da. Er schiebt die Tür auf und sieht sich wild um. Er sieht mich, wie ich weiter die Straße runter, davongehe. Er ruft, „Bär! Bär!“ , während er rennt. Menschen starren ihn an, als er sich an ihnen vorbei drängelt . Es ist ihm gleichgültig. Ich bin da und alles wird gut werden.
Alle dies endet, als er die Person einholt. Sie ist nicht ich. Sie sieht nicht einmal aus wie ich.
Drei Wochen später geschieht dasselbe wieder.
Und wieder
Weitere Kostenlose Bücher