Bär, Otter und der Junge (German Edition)
reißt ihm das Foto aus den Händen. Jonah weicht zurück, als er den Ausdruck auf Otters Gesicht sieht.
„Fass das nicht an“, fährt Otter ihn an.
„Wer ist das?“, will Jonah wissen. „Warum warst du so schuldbewusst, als ich reingekommen bin?“
„Es geht dich nichts an, wer das ist!“, schießt Otter zurück. „Und ich war nicht schuldbewusst!“
Jonah verschränkt die Arme und baut sich trotzig vor Otter auf. „Du hast dich aufgeführt, als wäre ich deine Mom und hätte dich gerade dabei erwischt, wie du dir einen runterholst!“, sagt er wütend. „Ich komme rein und finde meinen Freund, wie er auf ein Bild von 'nem anderen Typen starrt und dann versucht, es zu verstecken!“
Otter kocht vor Wut. „Ich habe nicht versucht irgendwas zu verstecken!“
Jonah schüttelt seinen Kopf. „Seit du aus Oregon zurückgekommen bist, führst du dich auf, als wäre jemand gestorben. Was zur Hölle, ist mir dir da oben passiert? Hat es was mit ihm zu tun?“, fragt er und reißt Otter das Bild aus den Händen.
Jonah wird nie erfahren, wie kurz er davor ist, eine reingehauen zu bekommen. Otters erster Instinkt ist es, Jonah mit der Faust ins Gesicht zu schlagen und er hebt schon seinen Arm und ist dabei auszuholen, als er innehält. Ich kann das nicht tun , denkt er, entsetzt von seinem erhobenen Arm. Ich bin nicht so ein Mensch. Was mach ich hier? Er lässt seinen Arm wieder zur Seite sinken. Er ist noch immer wütend, aber der Kampfgeist fällt von ihm ab. Er fühlt wie die bekannte Welle der Verzweiflung beginnt über ihn hinweg zu spülen und er will, dass Jonah geht und er schlafen kann. Er ist müde und verletzt und nicht in der Stimmung, sich mit jemandem abzugeben.
Aber Jonah ist noch nicht fertig. „Ist das dieser Junge?“, fragt er und Otter zuckt zusammen. „Das ist er, nicht wahr? Dieser Junge aus deinem Ort!“
„Und wenn er es ist?“, fragt Otter wachsam.
„Hast du mit ihm geschlafen, als du zu Hause warst?“, fragt Jonah mit harter Stimme.
„Nein“, antwortet Otter und wünscht sich, Jonah würde gehen. „Ich hab dir gesagt, er ist hetero.“
Jonah lässt das Bild auf das Bett fallen und beginnt, davor auf und ab zu gehen. „Den hab ich schon vorher gehört“, sagt Jonah bitter. „Verfluchte Hetero-Typen, die nichts mehr mit dir zu tun haben wollen, nachdem du ihnen einen geblasen hast. Ist es das, was dieses Arschloch mit dir gemacht hat?“
Otter bewegt sich, bevor es ihm klar ist. Er steht vor Jonah. Er beißt die Zähne fest aufeinander und das ist alles, was er tun kann, um sich davon abzuhalten, dessen verdammten Kopf abzureißen. „Er ist nicht so einer“, zischt Otter. „Wage nicht, jemals wieder schlecht über ihn zu sprechen.“
„Oder was?“, schreit Jonah ihn an. „Wirst du mir in den Arsch treten? Was zum Henker, hast du getan?“
„Nichts! Wir haben niemals irgendetwas getan!“, brüllt Otter und seine Stimme bricht. „Wir haben niemals irgendetwas getan.“
Jonahs Gesichtszüge werden spürbar weicher. „Und das war das Problem, nicht wahr?“, fragt er langsam.
Daraufhin bricht der Damm und Otter packt aus. Er erzählt Jonah vom ersten Mal, als er wusste, dass er etwas für mich empfindet und wie falsch es sich anfühlte. Ich war sechzehn und er vierundzwanzig und ich hab eine Nacht bei Creed geschlafen, als ihre Eltern nicht in der Stadt waren. Creed hatte sich volllaufen lassen und war schon früh auf der Wohnzimmercouch eingeschlafen. Otter und ich waren die ganze Nacht wach geblieben, haben über alles und jeden geredet. Er sagt, es gab einen Moment, in dem ich versucht habe, eine Frage zu beantworten, an die er sich nicht mehr erinnert. Ich hatte mich nach vorne gelehnt, mein Gesicht in meine Hände gelegt und konzentriert die Augenbrauen zusammengezogen. Otter sagt, es war erst später, als er im Bett lag und sich die Unterhaltung noch einmal durch den Kopf gehen ließ, dass es ihn wie der Blitz traf. Ich war in seinen Augen nicht länger ein kleiner Bruder.
Er erzählt Jonah davon und mehr. Aber er erzählt Jonah nichts von dem Kuss, denn dieser ist noch immer sein und mein und sonst niemandes. Er glaubt, dass das so sein wird, so lange er lebt. Er weiß, dass ich niemals sein sein werde und er weiß, dass er mich möglicherweise niemals wiedersehen wird, aber wenigstens hat er diese Erinnerung.
Jonah ist für eine lange Zeit, nachdem Otter mit reden fertig ist, still. Sein Gesicht ist wie eine Maske. Schließlich fragt er, ob sie
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