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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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Plötzlich tauchte er mit einem bitteren Stöhnen wieder
in das Dunkel seiner Ledertasche und brachte eine weitere Flasche Brandy zum
Vorschein. Wir leerten sie, wenn möglich, noch schneller als die erste und
fielen wiederum in frierendes Schweigen. In dieser Höhenlage dauerte es nicht
lange, bis uns der Alkohol zu Kopfe stieg. Die restlichen Extremitäten blieben
leider kalt wie zuvor.
    Ich saß in meinen Pelz vergraben da,
starrte auf den Boden und war gespannt, wie lange ich es noch aushalten würde,
als Wyschinski abrupt aufstand.
    »Brandy ist keiner mehr da«, sagte er,
»und wenn wir nicht irgend etwas unternehmen, werden wir erfrieren. Wir wollen
boxen!« Ohne weitere Präliminarien landete er einen Haken gegen meinen Magen.
Wyschinski gehörte nie zu denen, die ihre Schläge erst telegrafisch
ankündigten. Das nächste, was ich zu spüren bekam, war eine schnelle Rechte in
meiner Mitte. Die Pelze milderten die Schläge etwas, und ich erwiderte umgehend
mit einem Schlag in seine Rippen, den ich für einen Knockout für ausreichend
hielt. Im Handumdrehen folgten die übrigen unserem Beispiel, und eine
allgemeine Schlägerei kam in Gang.
    Ein Boxkampf in Pelzmänteln und
etliche tausend Meter hoch wird für die Beteiligten leicht zur Anstrengung. So
dauerte es nicht lange, bis wir alle außer Atem waren und uns in der durch die
böige Luft rollenden und taumelnden Maschine nur notdürftig auf den Beinen
hielten. Eine Linke Wyschinskis nahm mir die Balance, und ich sackte zu Boden.
Aber Wyschinski selber erging es nicht viel besser. Als er seinen Schlag
gelandet hatte, verlor er ebenfalls das Gleichgewicht und fiel bumsend auf
mich. Mittlerweile waren auch alle restlichen Passagiere total ermattet und
fanden, daß ich eine angenehme Matratze sei.
    Alle — das heißt bis auf den
Sowjetfotografen, der ein gutes Bild wohl zu schätzen wußte, wenn er’s vor sich
sah. Wie der Blitz war er mit seiner Kamera auf einer Kiste und machte einen
Schnappschuß. Das Ergebnis war eine trauliche kleine Gruppe, auf dem Fußboden
eines Flugzeuges um den Kommissar für Auswärtige Angelegenheiten, Wyschinski,
versammelt. Der einzige nicht sichtbare Passagier war ich, der unter den Mänteln
und Stiefeln der anderen begraben war.
    Zum guten Schluß erreichten wir dann
Kuibyschew doch noch. Eine Woche später kämpfte ich mich gegen einen Sturm die
Hauptstraße entlang vorwärts, als ich meinen Freund, den Fotografen,
anrempelte, der das Wetter ebensowenig genoß wie ich. Ich lud ihn zu einem
Drink an der Bar des Grand Hotels ein. Wenige Minuten später schon machten wir
es uns vor einer Karaffe guten Wodkas gemütlich. So vorsichtig wie möglich
brachte ich die Unterhaltung auf unseren Flugtrip von Saratow und den Boxkampf
der Prominenz.
    Nach etwa der dritten Runde Wodka
fragte ich ganz nebenbei, ob das Foto was geworden sei. Grinsend faßte der
Fotograf in die Tasche und zog seinen Schnappschuß heraus. Eine Achtelsekunde
später befand es sich in meiner Tasche, und der Fotograf brüllte Zeter und
Mordio.
    »Sie können es mir nicht wegnehmen!
Das ist Staatseigentum! Ich rufe die Polizei!«
    Ich setzte ihm geschwind auseinander,
daß die Fotografie in meiner Tasche wesentlich sicherer sei als in der seinen und
daß ein Bursche, der Wyschinski betrunken auf dem Fußboden eines Flugzeugs
knipste, die Polizei am besten gar nicht erst riefe, weil sonst er es sei, der
mit ihr aneinandergerate. Der arme Mann sah die Logik meiner Ausführungen ein
und ergab sich in sein Schicksal.
    Das Foto des Luft-Boxkampfes
verschwand umgehend zwischen meinen Papieren. Erst als Wyschinski wegen seiner
Nörgeleien in der UNO von sich reden machte, suchte ich es wieder hervor. Jetzt
hängt es in meinem Büro an der Wand.
     
    Selbst im Auswärtigen Dienst sind
Abkommandierungen an Orte wie Kuibyschew nicht von Dauer. Ich bekam die
Anweisung, weiterzureisen: nach Kabul, der Hauptstadt Afghanistans, wo ich, wie
mir das State Department mitteilte, eine neue diplomatische Mission einrichten
sollte. Weshalb sich das Department ausgerechnet jemanden aus den Steppen
Rußlands dafür aussuchte, mitten im Hindukusch einen neuen Laden aufzumachen,
begriff ich nicht ganz. Vielleicht, dachte ich, hielten sie mich für besser
akklimatisiert und an das Leben in freier Wildbahn gewöhnt. Später erfuhr ich,
daß es noch einen weiteren Grund gab. Als etwa sieben Jahre zuvor die Afghanen
die Amerikaner durch die Vermittlung Botschafter Bullitts zu überreden

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