Bären im Kaviar
und
zitiere buchstabengetreu:
»YOU ARE INSTRUCTED TO NOTIFY
IMMEDIATELY THE GOVERNMENT TO WHICH YOU ARE ACCREDITED THAT THE CONGRESS OF THE
UNITED STATES ON DECEMBER II DECLARED THAT A STATE OF WAR EXISTS BETWEEN THE
UNITED STATES AND GERMANY…« *
und so weiter. Signiert war es von
Cordell Hull. Trotz der drolligen Schreibweise fiel es uns nicht besonders
schwer, herauszufinden, was es uns über Pearl Harbour erzählen wollte. Als wir
die Botschaft zum Kommissariat für Auswärtige Angelegenheiten durchgaben,
beschwerte sich Wyschinski, daß wir ihn doch etwas allzu langsam über Dinge
informierten, die er bereits vor neun Tagen im Radio gehört habe. Wir
entschuldigten uns mit dem Hinweis, es sei wohl kaum unser Fehler, wenn das
Telegrafenamt sieben Tage brauche, um die Nachricht aufzunehmen, und zwei weitere
Tage, um sie über die Straße zu uns zu bringen.
Die Neuigkeiten waren vom russischen
Standpunkt aus betrachtet so außerordentlich gut, daß selbst Wyschinski unserer
Beschwerde nicht weiter nachging. Die russische Bevölkerung, inklusive der
Ballerinen, geriet über die Aussicht, uns zu Alliierten zu haben, in einen
wahren Freudentaumel. Ja, eine Zeitlang vergaßen sie sogar, daß wir im Grunde
unseres Herzens nur Kapitalistenschweine waren. Überdies erwiesen sich die
wenigen Luxusartikel, die wir von Moskau hatten herschaffen können, als eine
nahezu unwiderstehliche Versuchung für unsere alten Freunde. Das Ballett, die
Große Oper und ihr Orchester waren alle zusammen in einem Schulgebäude am Rande
der Stadt zusammengepfercht. Sie hatten weder Möbel noch Betten noch allzuviel
zu essen. Eine Einladung zum Dinner in der amerikanischen Botschaft, die in
einem ebenso dürftigen, aber mit einer gewissen Menge Essen und Trinken
versehenen Schulhaus lag, war nicht zu verachten.
Zudem war auch die Geheimpolizei, die für
gewöhnlich allen Kontakt zwischen uns Amerikanern und der einheimischen
Bevölkerung unterband, auf dem Wege hierher ziemlich durcheinandergeraten.
Einige Monate lang schienen sie ausschließlich mit ihrer Akklimatisierung
beschäftigt zu sein und sich kaum um die außerplanmäßigen Beschäftigungen der
alliierten Diplomaten zu kümmern. Ihre Sorge, Decken und Eßbares aufzutreiben,
ging tatsächlich so weit, daß sie sich hocherfreut aller Tips bedienten, die
wir ihnen etwa hinsichtlich eines Kohlenlagers oder Vorrates an Bettzeug geben
konnten. Es dauerte nicht lange, bis der Leiter des Moskauer GPU-Kontingents in
Kuibyschew beinahe unser Busenfreund wurde. Er war sehr jung, sehr groß und
hieß, wenn ich mich recht erinnere, Major Smirnow. Wir trafen uns häufig im
Café des Grand Hotels und tauschten über einem Glas Wodka kostbare
Geheiminformationen der obenerwähnten Art aus. Als sich seine Organisation dann
schließlich doch häuslich eingerichtet hatte und ihre alte Angewohnheit, uns
überallhin zu verfolgen, wieder aufnahm, beschwerte ich mich häufig bei ihm
über den wilden Eifer seiner Leute, doch wies er den Vorwurf jedesmal entrüstet
meilenweit von sich: um Himmels willen, nicht seine Leute, sondern irgendwelche
rüden Burschen der örtlichen Geheimpolizei zeichneten dafür verantwortlich! Ich
glaubte ihm zwar nie und drohte oft, unsere freundschaftlichen Beziehungen
abzubrechen, wenn er nicht endlich aufhörte, unseren jungen Attachés
nachzuspüren, deren Beziehungen zum Ballett zur Aufrechterhaltung der
Kampfmoral dringend erforderlich seien.
Natürlich half es kaum.
Und dann besuchte ich am Neujahrsabend
ein Fest im Grand Hotel, um den Beginn des Jahres 1942 gebührend zu feiern. Als
ich meiner Ansicht nach genug gefeiert hatte, brach ich auf, um nach Hause zu
gehen, machte aber den großen Fehler, am Eingang des Hauptfestsaales einen
Augenblick anzuhalten und einen Blick hineinzuwerfen. Der überwiegende Teil des
Diplomatischen Korps und die ausländischen Korrespondenten waren schwer damit
beschäftigt, über dem von der Sowjetregierung für diesen Tag besorgten Wodka
die Enttäuschungen Kuibyschews zu vergessen. In einer entfernten Ecke sah ich
Major Smirnow mit einer Anzahl seiner kleinen blauen Männer feiern, wie alle
rundum.
Smirnow fing meinen Blick auf und
signalisierte mir, zu ihm herüberzukommen, doch ich schüttelte verneinend den
Kopf und ging schleunigst zur Tür hinaus. Er fegte hinter mir her und bestand
darauf, daß ich noch ein Glas mit ihm trinke.
»Ich habe mein Quantum längst intus«,
wehrte ich ab, »und zudem pflege ich nach
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