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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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wie
immer, in Sibirien für am besten aufgehoben hielt. Sowie dann aber die Nazis
begannen, Rußland aufzuteilen, kam der Kreml zu der Ansicht, daß er einen
kleinen Schönheitsfehler gemacht habe und die Polen besser wieder aus Sibirien
»heraussiedele«, ehe sie noch mehr Unruhe stifteten. Der einzig mögliche
Transportweg ging über Persien. Die Engländer und wir hatten zugestimmt, sie zu
übernehmen und für sie zu sorgen, bis Polen wieder frei war.
    Nach monatelanger Verzögerung sandte
der Kreml ein Telegramm nach Teheran, daß innerhalb der nächsten vierundzwanzig
Stunden die Kleinigkeit von sechstausend Frauen und Kindern in Persien
eintreffen würde. Die Engländer hatten vorgehabt, eine Gruppe von Fachleuten
für die reibungslose Abwicklung der Deportation einzusetzen, doch kam die
Nachricht so jäh, daß keiner der vorgesehenen Fachleute zur Stelle war, als die
ersten Lastwagen nach Teheran einrollten. Ein amerikanischer Rote-Kreuz-Mann,
ein ortsansässiger amerikanischer Arzt, ein Chirurg der indischen Armee und ich
bildeten in höchster Eile einen Vierer-Notausschuß. Die persische Regierung
zeigte sich der Situation in bewundernswürdiger Weise gewachsen und stellte ein
zwar primitives, doch ausreichendes Zeltlager am Stadtrand zur Verfügung.
    Unter den ankommenden Flüchtlingen
wütete der Typhus.
    Unsere größte Sorge bestand also
zunächst darin, mit allen Kräften zu verhüten, daß er auf die persische
Bevölkerung Übergriff. Zum Glück hatten wir genügend Impfstoff, um die Polen zu
immunisieren, aber wenn die Epidemie auch unter den Persern ausgebrochen wäre,
würde kein Halten mehr gewesen sein. Eine kaum zu bewältigende Schwierigkeit
bot freilich das dringende Verlangen sowohl der persischen Regierung als auch
der Bevölkerung, ihren unglücklichen polnischen Freunden einen herzlichen
Empfang zu bereiten. In hellen Scharen strömten sie mit Blumen, Früchten und
Süßigkeiten zum Lager.
    Wir stellten rundum eine Wache
persischer Polizisten auf und gaben strikten Befehl, niemanden hineinzulassen.
Aber die persischen Wachen hatten noch nie Typhus gehabt und hielten es nicht
für sehr sinnvoll, ihre Landsleute daran zu hindern, den unglücklichen
Flüchtlingen Rosensträuße zu überreichen. Wir schmeichelten, flehten
händeringend, erklärten so ausführlich und so lange, daß die Polizei schließlich
gerührt zu gehorchen versprach — und kaum drehten wir ihnen den Rücken,
fluteten schon wieder Schwärme spendefroher Perser ins Lager.
    Endlich hatte ich es satt. Ich
versteckte mich hinter einem Baum in der Nähe des Haupteinganges und wartete
darauf, den Wächter auf frischer Tat zu ertappen. Bereits nach wenigen Minuten
fuhr ein großes Auto vor, ein distinguiert aussehender Herr entstieg ihm und
schritt gelassen durchs Tor. Der Wächter hinderte ihn nicht nur nicht, sondern
salutierte auch noch. Ich hüpfte hinter meinem Baum hervor auf diesen zu und
begann ihn so scharf und gründlich abzukanzeln, wie mein kümmerliches Persisch
nur eben erlaubte.
    Der
zweite Teil der Schimpfkanonade richtete sich gegen den Besucher. Er sah mich
entsetzt und nicht weniger verblüfft an, verbeugte sich dann tief, lächelte und
stellte sich als Premierminister von Persien vor. Ich verschluckte mich fast im
Bemühen, umgehend Lautstärke und Melodie meiner Arie zu ändern, jedoch
gleichzeitig den Inhalt beizubehalten. Nach einem üppigen Austausch
diplomatischer Höflichkeiten erkannte der Premierminister die Billigkeit meiner
Forderung an, überreichte mir die Rosen zu getreuen Händen und zog sich wieder
in seine Limousine zurück. Wenige Tage später kreuzten die britischen Fachleute
auf und übernahmen die Lagerleitung. Ich stellte mich hoch aufatmend unserem
Gesandten, Louis Dreyfus, für die nächste Sonderaufgabe zur Verfügung.
    Und dann kam endlich doch mein Visum,
und ich begann, mich auf die Reise nach Kabul vorzubereiten. Die Hauptstadt
Afghanistans liegt etwa zweitausendzweihundert Kilometer östlich von Teheran —
und keine besonders bequemen zweitausendzweihundert Kilometer! Die ersten zwei-
oder dreihundert Kilometer durchqueren die große Wüste zwischen Teheran und
Mesched in der Nordostecke Persiens. Bei Herat geht man über die Grenze.
Zwischen Herat und Kabul liegen dann die westlichen Ausläufer des
zentralasiatischen Gebirgsmassivs, das sich vom Himalaja bis zum Hindukusch
erstreckt. Durch diese Gebirge führt zwar von Herat nach Kabul eine Straße,
doch war sie 1942, selbst für

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