Bären im Kaviar
oder dreißig Meter fliegen. Sagen Sie
ihnen, sie hätten sich, solange ich an Bord bin, gefälligst in dreihundert
Meter Höhe zu halten.«
Ich versuchte ihn davon abzubringen.
»Sehen Sie, Lord Beaverbrook, die Leute sind immer so geflogen. Meinen Sie
nicht auch, es sei jetzt ein bißchen zu spät, ihre Gewohnheiten zu ändern? Es
könnte sogar etwas riskant sein. Vielleicht wird es ihnen dreihundert Meter
hoch in der Luft schwindlig?«
Lord Beaverbrook war im Augenblick für
Scherze nicht zu haben. Er winkte ungnädig ab.
»Sparen Sie sich Ihre Kommentare und
richten Sie aus, was ich Ihnen gesagt habe.«
Ich gab den Befehl wörtlich übersetzt
an den Chefpiloten weiter. Er war sichtlich tief gekränkt, doch riet ich ihm
dringend, sich an Lord Beaverbrooks Worte zu halten. Der Alte stand in dem Ruf,
seinen Willen unter allen Umständen durchzusetzen. Entgegen meinen
Befürchtungen klappte aber zu Beginn des Fluges alles, und erst als uns in
Moskau eine sowjetische Flakbatterie entdeckte, ging der Tanz los. Von unten
aus betrachtet, mußte jede Formation, die so viel höher als sonst flog, Aufmerksamkeit
erregen. Für das noch ungeschulte Auge des Batterieführers stellten wir fraglos
einen deutschen Verband dar. Was immer er aber auch denken mochte-für uns
bestand der erste Reflex seiner Überlegungen in einer kleinen weißen
Rauchwolke, etwa fünfzehn Meter seitlich der Formation. Ein zweites weißes
Wölkchen sprang hinter uns auf. Momente später sprühte rings um uns eine ganze
Salve hoch. Ich befand mich nicht in Lord Beaverbrooks Flugzeug, doch wurde mir
später die Wirkung des Beschusses dort geschildert. Als die Salve loskrachte,
hüpfte Seine Lordschaft im Sessel hoch und schoß auf die Pilotenkabine zu. In
dem Augenblick, als er anlangte, entschied der Pilot, der die Vorgänge
zweifellos ebenso interpretierte wie Beaverbrook, es sei am besten, schleunigst
so tief herunterzugehen, daß man die sowjetischen Markierungen erkennen konnte.
Also richtete er die Nase erdwärts und brauste im Sturzflug nach unten.
Beaverhrook landete mit einem Bums auf seinen vier Buchstaben und rutschte
gänzlich unzeremoniell den Gang hinab, bis er vor der Toilettentür festsaß.
Sobald er »Kontakthöhe« erreicht hatte, nahm der Pilot die Maschine wieder auf,
und Beaverbrook tastete sich, verstört grinsend, vorsichtig zu seinem Platz
zurück. Soviel ich weiß, hat er nie wieder einem Sowjetpiloten
Fluginstruktionen gegeben.
Einige Monate später wurden ein paar
amerikanische Marineoffiziere, die in der Kanzel eines sowjetischen Bombers von
Kuibyschew nach Moskau flogen, von einem anderen Zwischenfall heftig
mitgenommen. Flughöhe war, wie üblich, »Baumspitze«. Unseligerweise gab es nun
eine Strecke lang überhaupt keine Bäume, und die Piloten fanden augenscheinlich
nichts, woran sie den Erdabstand hätten messen können. Als sie eines der
wenigen die Wolgaebene kreuzenden Eisenbahngeleise überflogen, kroch auf den
Schienen ein Güterzug entlang. Einer der Waggons riß das gesamte Fahrgestell
weg und zerrte die Bombenklappen auf, aus denen das Gepäck der Reisenden auf
die Geleise purzelte. Sekunden später setzte die Maschine auf dem Schnee auf, rutschte
holpernd und tuckernd noch tausend Meter weiter und hielt dann, ohne durch den
kleinen Zwischenfall ernstlich gelitten zu haben. Einige Bauern jedoch hatten
das Gepäck aus den Bombenklappen stürzen sehen und schlossen daraus
begreiflicherweise, daß irgendein unverschämter Deutscher ihre Eisenbahn
bombardiere. Sie griffen auf der Stelle zu ihren Mistgabeln und umzingelten die
wie betäubt aus dem Wrack taumelnden Passagiere. Gott sei Dank befand sich
unter diesen ein Sowjetgeneral, dem es gelang, die wütenden Bauern mit einem
Revolver in Schach zu halten, während er den ziemlich ungewöhnlichen Vorfall
erklärte. Später ging das Gerücht um, die sowjetische Luftwaffe habe Befehl
erhalten, ihre Piloten anzuweisen, in Zukunft vor dem Überqueren eines Schienenstranges
erst nach rechts und links zu sehen. Die Wahrheit dieses Gerüchtes ist freilich
nie bestätigt worden.
Aber kehren wir zurück ins Jahr 1933
und zu jenem einmotorigen Flug nach Leningrad. In einer Beziehung begann ich
die Baumspitzenfliegerei sogar zu genießen, weil ich das Land unter mir viel
deutlicher sah. Man konnte leicht erkennen, was die Bauern auf den Feldern
machten, was die großen ostpreußischen Wagen über die Landstraßen schleppten
und sogar ob die Fischer an den Flüssen
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