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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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schauderte mir, doch sogleich erschien — wie
ich inzwischen hätte wissen sollen — unten ein schöner großer Flugplatz, und
wir schwebten in sanftem Gleitflug zur Landung nieder.
    »Riga!« brüllte der Pilot, als der
Motor langsam abstarb. Verglichen mit Tilsit war Riga eine geschäftige,
tumultuöse Haupt- und Endstation. Kaum aus der Kabine gekrochen, waren wir auch
schon von Mechanikern, Beamten und Zuschauern umringt. Der Pilot verschwand im
Kontrollraum und kam nach wenigen Minuten mit einem sehr dekorativ
uniformierten Herrn wieder. Auf seine Uhr weisend, begann er dann russisch auf
mich einzureden. »Halb fünf«, sagte ich verbindlich.
    »Njet, njet«, wehrte der Pilot ab.
    »Doch, doch«, beharrte ich, allmählich
in Schwung kommend.
    Der dekorative Beamte schloß sich in
gebrochenem Englisch dem Chorgesang an.
    »Flugmann sagt, Maschin bißchen
kaputt.«
    »Schon wieder?« fragte ich.
    »Flugmann sagt, Wind ganz groß.«
    »Das muß er ausgerechnet mir
erzählen!« antwortete ich eine Spur gereizt.
    »Flugmann sagt, viele Stunden nach
Leningrad, und Dunkelheit ist früh in Nordland.«
    »Na, und?«
    »Flugmann sagt, Sie bleiben Nacht
hier. Morgen alles in Ordnung für Fliegen Leningrad.«
    Der erste Teil des Vorschlages hörte
sich ganz vernünftig an. Zum zweiten behielt ich mir den endgültigen Entschluß
noch vor.
    Wenige Minuten später erschien ein
winzig kleines Auto. Der Pilot und ich wurden hineingestopft, und ab ging’s.
Das Auto blieb noch ein bißchen tiefer am Boden und fuhr ein kleines bißchen
langsamer als das Flugzeug, wenngleich nicht viel. Doch sein Motor war aus
haltbarem Material und noch intakt, als wir am Hotel de Rome abgesetzt wurden.
In jener Nacht genossen die Gäste der Rome-Bar das Vergnügen, einer zwar
lautstarken, doch ungewöhnlich munteren Konversation beiwohnen zu dürfen, als
der Pilot und ich zu Abend aßen. Wir redeten beide zu gleicher Zeit los, und
keiner von uns stoppte bis weit nach Mitternacht, außer zu einem gelegentlichen
Mundvoll Essen oder Trinken.
    Der Pilot wies auf die Platte mit
Vorspeisen und sagte »Sa-kuski«.
    »Horsd’œuvre«, korrigierte ich.
    »Ryba«, sagte der Pilot.
    »Fisch«, erwiderte ich.
    »Wodka«, sagte der Pilot.
    »Wodka«, wiederholte ich, und unter
dröhnendem Gelächter stießen wir auf die erzielte Übereinstimmung an.
    Von da an nahm unsere Unterhaltung
sowohl an Tempo als auch an Lautumfang zu. Aus unerfindlichen Gründen meinen
alle, die sich Fremden in ihrer Sprache nicht verständlich machen können, es
läge daran, daß sie nicht laut genug sprächen. Infolgedessen gab schließlich
sogar das Orchester im »Rome« den Wettstreit mit uns auf, und wir brüllten uns
gegenseitig bis tief in die Nacht hinein an.
    Als
ich zu Bett ging, schloß ich, daß — falls alle Russen so vergnüglich waren wie
der Pilot — es vielleicht doch nicht so traurig werden würde, wie Oberst Patton
prophezeit hatte. Früh am nächsten Morgen war unsere Maschine von einigen
tüchtigen lettischen Mechanikern repariert, und wir waren bald wieder
unterwegs. Das Wetter hatte sich aufgeklärt. Der Wind hatte sich gelegt. Die
Luft war so sanft und milde, wie man nur wünschen konnte.
    Doch dann schreckte mich erneutes
Husten des Motors aus meinen süßen Träumen auf. Wie üblich drehte der Pilot
sich zu mir um, grinste und zuckte die Schultern. Der Motor spuckte und starb
ab. Diesmal überraschte es mich kaum, als ich unten einen Flugplatz entdeckte.
    Es war Reval an der Nordküste der
baltischen Staaten.
    Der Motor hatte jetzt einen neuen,
aber unbedeutenden Defekt entwickelt. Während sich eine Horde Mechaniker über
ihn hermachte, lagen der Pilot und ich im Gras und schrien uns an. Nach
erledigter Reparatur erschien ein Beamter, um uns feierlich erneut auf den Weg
zu schicken. Am Flugzeug brüllte mir der Pilot ein Schlußwort zu. Der Beamte
übersetzte es.
    »Er
sagt, dies sei der letzte Stopp vor Leningrad gewesen.«
    »Wie
will er das wissen?« erkundigte ich mich sarkastisch. Der Pilot grinste — wenn
möglich — noch breiter und unverschämter als zuvor.
    »Er sagt, es muß der letzte
sein«, antwortete unser Dolmetscher, »unterwegs gibt’s keine Landeplätze mehr —
nur noch Sumpf und Moore.«
    Um eine beglückende Information
reicher, krabbelte ich an Bord und schnallte mich an, während der Pilot Oma
übers Feld jagte und sie wieder in die Luft entführte.
    Über eine Stunde klappte alles
tadellos. Die Luft war milde. Der Kühler

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