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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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vergrabene Schätze kontrollieren? Das würde selbst
einem Schaffner der pennsylvanischen Eisenbahn komisch vorgekommen sein.
Anderseits, was sollte ich der Admiralstochter erzählen, wenn sie mich nach
meiner Rückkehr (die an jenem Abend sehr nahe vor mir zu liegen schien) fragte,
ob ich etwas in der Villenangelegenheit unternommen hätte? Schließlich konnte
ich es doch nicht schlankweg verneinen. Wie sollte sie sich nach zwanzig Jahren
Amerika noch an das Funktionieren von Polizeistaaten erinnern oder an den
Fremdenhaß und die bedrückende Atmosphäre, die allen Ausländern in Rußland das
Gefühl gibt, unendlich weit von daheim fort zu sein? Am anderen Morgen
schrillte das Telefon in meinen besten Schlaf. Die Intourist-Führerin
erkundigte sich, ob ich meine Absichten vielleicht geändert hätte. Ob ich nicht
doch das Institut sehen möchte, durch welches die Regierung die
Geschlechtskrankheiten ausrotte? Oder den Kindergarten, wo die Regierung schöne
Babys aufziehe? Oder die Brotfabrik, in der die Regierung besseres Brot
herstelle? Ich beantwortete jeden Vorschlag mit einem bissigen »Nein« und
erklärte ihr zum Schluß kategorisch, ich gedächte den ganzen Tag über im Bett
zu bleiben und hoffe nur, daß Gott und der Schlaf mein Wohlbefinden ohne Hilfe
von außen wiederherstellen würden. Als ich den Hörer auflegte, war ich fest
entschlossen, allein schon der Führerin zum Trotz nach Tarchowka zu fahren und
möglichst sogar den Silberschatz im Rübenkeller auszubuddeln. Zu gern hätte ich
ihr Gesicht gesehen, wenn ich ihr am Abend eine Tasche voll Silber und Juwelen
unter die Nase halten und so ganz nebenbei bemerken könnte, ich hätte es
irgendwo in der Stadt aufgelesen oder unter meinem Bett gefunden.
    In der Halle zankte sich der Portier
mit ein paar angetrunkenen Matrosen herum, die allem Anschein nach ein Zimmer
verlangten. Ungesehen schlüpfte ich aus der Tür.
    Am Finnischen Bahnhof herrschte ein
strudelndes Gewoge ein- und ausströmender Menschen. Meist waren es Bauern mit
großen Säcken auf den Schultern, Bastschuhen, schweren, schmierigen Mänteln,
Schals und Pelzkappen, deren Ohrenwärmer oben zusammengebunden waren. Zum
erstenmal sah ich einen russischen Bahnhof und war rundum verwirrt. Auf
mysteriöse Weise fand ich sogar den richtigen Schalter, wo ich etwa eine Stunde
lang wartend anstand. Ich vertrieb mir die Zeit damit, mir selbst vorzureden,
daß der Gestank in Wirklichkeit nicht halb so schlimm war, als es roch, und daß
es schließlich nur eine harmlose Kombination von billigem Tabak und dem Schweiß
war, den das in der guten alten Zeit für die Peterhofer Springbrunnen verwandte
Wasser noch nicht ganz weggewaschen hatte. Der Kartenverkäufer gab mir das
Billett, ohne zu fragen, und der Zug stand schon da. Während der ganzen
Warterei hatte ich mich ängstlich umgeblickt, voller Spannung, wie lange die
Intourist-Dame brauchen würde, um die Geschichte mit der Bettruhe zu
durchschauen, sofort Schatzgräberei zu vermuten und mich am Bahnhof abzufangen.
Im Zuge setzte ich mich in eine unverdächtige Ecke. Der Schaffner kam, ich gab
ihm meine Karte und zitterte vor Angst, er werde irgend etwas fragen und dabei
herausfinden, daß ich ein Ausländer war. Aber er nahm das Billett nur und
nickte schweigend. Ein kleiner Betteljunge in zerlumptem, viel zu weitem Anzug
kam ins Abteil, lüftete seine Kappe und verkündete seine Bereitschaft, jeden,
der unterhalten zu werden wünschte, mit einem Lied oder einem Tanz zu erfreuen.
(Wenigstens glaube ich, daß er das gesagt hat; verstehen konnte ich kaum ein
Wort.) Er begann mit einer klagenden Volksliedmelodie, wobei er die großen
blauen Augen im breiten, grinsenden, schmutzigen Gesicht rollte und sein langes
gelbes, fettiges Haar beim Singen rhythmisch um die Schultern schlug. Darauf
wandte er sich einer lebhaften Nummer zu und tanzte eine Art wilden Step. Meine
Reisegefährten beeindruckte beides nicht, obwohl ihm der eine oder andere ein
paar Kopeken gab. Plötzlich erspähte er meinen Hut in der Ecke. Bis zu diesem
Augenblick war mir noch nicht aufgegangen, daß mein Hut längst allen verraten
hatte, daß ich ein Ausländer war. Der Junge wies mit dem Finger darauf hin und
rief »inostranjetz«, was, wie ich wußte, »Ausländer« heißt. Alle sahen mich an.
Ich begann zu schwitzen. Bestimmt würde mich auf der nächsten Station einer bei
der Bahnpolizei anzeigen, und ich würde arretiert und als Spion aus der
Sowjetunion ausgewiesen werden. Es

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