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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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war’s zufrieden — besonders
die kleinen Fische und besonders in jener Nacht. Es stellte sich nämlich
heraus, daß Litwinows Koch politisch ebenso interessiert und vielleicht ebenso
gerissen war wie sein Chef. Zumindest entnahmen wir das dem, was einer der
Botschafter uns erzählte, als sie alle aus dem inneren Heiligtum wieder zum
Vorschein kamen. Die Tafel, sagte er, sei über und über dekoriert gewesen mit
Blumen, kristallenen Kerzenhaltern, dem besten goldenen Tafelservice, das vom
letzten Regime her übriggeblieben war, und allen nur möglichen Arten von
seltsamen Schüsseln voller Delikatessen. Unter den letzteren sei die in einem
einzigen großen, fünfunddreißig Zentimeter langen und fünfzehn Zentimeter
breiten Block servierte Butter am bemerkenswertesten gewesen. Nachdem sich die
Botschafter niedergelassen hatten und Toast und Kaviar rundgereicht waren,
beugte sich Eden vor, um von dem mächtigen Gebilde vor ihm ein Scheibchen
abzustechen. Dann zögerte er und schien sich anders zu besinnen, denn er legte
das Buttermesser nieder und aß Brot und Kaviar trocken. Eine sorgfältige
Prüfung ergab, daß der Küchenchef in die Butter die geflügelten Worte
eingraviert hatte: »Peace is indivisible.« Es entsprach nicht der Politik
Seiner Britannischen Majestät, die Hinfälligkeit dieser Doktrin zu
demonstrieren, selbst wenn der »Friede« nur aus Butter bestand. Es sollte
Hitler vorbehalten bleiben, das einige Jahre später nachzuholen.
    Aber auch andere hatten ihre liebe
Last mit dem Essen in Moskau, insbesondere Botschafter Bullitts Nachfolger,
Joseph E. Davies. Botschafter Davies hatte allem Anscheine nach einen höchst
empfindlichen Magen, der ihm nur ganz spezielle Dinge zu essen erlaubte.
Tatsächlich kann ich mich aus meiner gesamten Dienstzeit bei ihm nicht
erinnern, daß er auch nur die kleinste Kleinigkeit außerhalb seines eigenen
Hauses zu sich genommen hat. (Ich gebe zu, daß in dem Film über seinen
Aufenthalt in Rußland, »Mission to Moscow«, Szenen Vorkommen, die den
Botschafter herzhaft essend an den Büfetts russischer Bahnhöfe zeigen. Da ich
jedoch nie etwas gesehen habe, das den Film-Versionen dieser Büfetts auch nur
im entferntesten ähnelte, möchte ich die Szenen dem Konto einiger
überenthusiastischer Produzenten zugute halten.) Wie dem aber auch sei — noch
ehe der Botschafter selbst da war, trafen als feierliche Künder seines Kommens
bereits fünfundzwanzig Tiefkühltruhen ein, die gleich ordnungsgemäß im
Souterrain des Spaso-Hauses installiert wurden.
    Dann brachen von Antwerpen aus — es
kann auch Bremen gewesen sein — zwei Wagenladungen voll sorgfältig in
Trockeneis verpackter, tiefgekühlter Nahrungsmittel zu ihrer langen Reise quer
durch Nordeuropa nach Moskau auf. Ein junger Nahrungsmittelchemiker begleitete
die kostbare Fracht. Alle ein, zwei Tage sandte er uns ein Telegramm mit den
neuesten Nachrichten über sein Vorrücken. Die Augen der gesamten Botschaft
ruhten auf den beiden Lastwagen. Auf einer Wandkarte in der Kanzlei markierten
wir mittels einer großen roten Heftzwecke ihren Anmarsch.
    »Erreiche heute Berlin. Hoffe noch am
Abend weiterfahren zu können.«
    »Heil die Oder passiert.«
    »Ankomme Sowjetgrenze morgen früh.«
    An der sowjetischen Grenze aber trat
eine kleine Stockung ein. Aus einigen Behältern war das Trockeneis verdunstet,
so daß sie nunmehr leer waren. Die zuständigen sowjetischen Grenzdienststellen
zeigten hierob einige Verwirrung, da — wie sie durchaus richtig andeuteten —
niemand einen Lastwagen mietet, um leere Behälter durch die Gegend zu
schaukeln. Außerdem enthielt das sowjetische Zoll-Reglement-Buch keinerlei
Angaben über die Klassifizierung des Inhaltes einer Kiste, in der nichts ist.
Erst nach einer ziemlich umfangreichen Vorlesung über die chemische
Beschaffenheit von Trockeneis gelang es dem Nahrungsmittelchemiker, ihnen die
Situation zu erklären. Schließlich kam die ganze Ladung sogar bei uns an und
konnte in die fünfundzwanzig Kühltruhen umgepackt werden.
    Etliche Wochen lang waren alle
hingerissen. Die köstlichen tiefgekühlten Steaks und Gemüse waren eine
willkommene Abwechslung für uns alle, die wir seit Jahr und Tag nur noch aus
der Büchse gegessen hatten. Und sogar Eiskrem gab es — vierhundert ganze Liter!
Wer immer von uns in die Botschaft zum Essen geladen wurde, verputzte sein Teil
mit Wonne.
    Dann aber ereignete sich ein kleiner
Zwischenfall, der eine spürbare Lücke in unsere tiefgekühlten

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