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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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Leitung vorletzte Nacht
repariert haben«, teilte er mir bekümmert mit.
    »Was war drin?« fragte ich.
    »Die Eiskrem«, seufzte er, »und zu
retten ist da nichts mehr Mir war sofort klar, daß die Sache ernst war, und
zwar nicht nur, weil es eine Zeitlang keine tiefgekühlte Eiskrem mehr geben
würde. Die eingefrorenen Nahrungsmittel des Botschafters waren inzwischen
weltbekannt geworden, und wenn die Moskauer Korrespondenten der amerikanischen
Presse Wind von der Affäre bekamen, würde die Reputation der
Tiefkühl-Gesellschaft hops sein.
    Aber da waren die vierhundert Liter
verdorbener Eiskrem im Souterrain, die herausgeholt werden mußten, und zwar
schleunigst, da sonst Moskau die Geschichte wenn nicht hören, so doch riechen
würde. Sich auf die Chauffeure der Botschaft zu verlassen war sinnlos. Sie
waren sämtlich dicke Freunde ihrer Kollegen bei den Presseleuten. Außerdem
konnten wir, da die Botschaft tagsüber von Menschen nur so wimmelte, die Soße
bloß nachts entführen. Ich besorgte mir an jenem Abend also von irgendeinem
russischen Trust einen Lastwagen, bemannte ihn mit einer Anzahl auf dem Markt
aufgelesener Schwarzarbeiter und fuhr heimlich, still und leise in den
Hinterhof des Spaso-Hauses. Während die Arbeiter widerstrebend einen Eimer der
stinkenden Masse nach dem anderen auf den Wagen kippten, hielt ich vornheraus
Wache — hauptsächlich, um den Düften zu entgehen.
    Sobald alles aufgeladen war, kletterte
ich neben den Fahrer, und wir hielten aufs offene Land zu. Als wir so durch die
dunkle und verlassene Nacht über das Kopfsteinpflaster rumpelten, fielen mir
unwillkürlich einige Zeilen aus dem »Begräbnis des Sir John Moore« ein, die ich
in der Schule gelernt hatte:
     
    Keine
Trommel erklang und kein Grabgesang,
    Als den
Leichnam zum Walle wir trugen.
     
    Schließlich erreichten wir eine öde
Straße inmitten eines einsamen großen Fichtenwaldes. Wir setzten den Wagen
rückwärts vor den Graben und ließen ihn kippen. Ein paar Augenblicke später war
unsere Aufgabe erledigt. Ratternd fuhren wir nach Moskau zurück.
     
    Am allerschlechtesten gewöhnte man
sich in Moskau an die Sozialisierung auch der untergeordnetsten Tätigkeiten zur
Instandhaltung eines Hauses. Während des ersten Versuchs zur Einrichtung der
neuen Botschaft hatte ich — wie schon gesagt — den Kunstgummi-Trust, den
Braunkohlen-Trust, den Umzugs-Trust und ein gutes Dutzend anderer
kennengelernt. Die Zusammenarbeit gestaltete sich manchmal etwas schwierig;
doch schienen sie allesamt ihren bestimmten Platz innerhalb der nationalen
Wirtschaft auszufüllen. Später machte ich die Bekanntschaft des Grün-Trusts,
der die Gärten plant, anlegt und pflegt. Dann gab’s den Vergnügungs-Trust, der
Tänzer und Orchester zur Unterhaltung besorgt. Es gab den Trust der
Schwergewichts-Transportler, der herumlief und Zloty zerbrach. Und es gab den
Fensterputzer-Trust.
    Aber schlimmer noch: Jeder Trust mußte
einen Fünfjahresplan und einen Einjahresplan haben, im voraus errechnet und
aufgestellt und von den höchsten Rängen der Wirtschaftshierarchie gutgeheißen.
Ging man zum Beispiel zum Vergnügungs-Trust und bat um ein Orchester, so wurde
einem mitgeteilt, sämtliche Veranstaltungen lägen bereits seit vergangenem Juni
fest, und es wären, so bedauerlich es auch sei, dabei keinerlei Vorkehrungen
zur musikalischen Untermalung eines Tanzabends getroffen worden, den der
Botschafter sich erst sechs Monate später zu geben entschließen würde. Falls
wir ihnen aber unser Tanzprogramm für das fiskalische Jahr 1935 einreichen
wollten, würden sie nur zu gerne alle von uns gestellten angemessenen
Forderungen berücksichtigen. Ich habe den Vergnügungs-Trust nie wieder
aufgesucht.
    Auch der Grün-Trust war durch Pläne
beengt; doch ließ man sich dort schließlich herbei, die Verwandlung des
Hinterhofes der Botschaft in einen Garten zu übernehmen und die Arbeit sogar,
als ganz besonderes Entgegenkommen, in den laufenden Einjahresplan zu zwängen.
Freilich erforderte das einen Plan für sich.
    Ich erkundigte mich, was sie damit
meinten.
    »Oh, ganz einfach: Ehe wir nicht einen
Plan für die Anlage des Gartens haben, können wir sie nicht auf unseren Ein-
und Fünfjahresplan abstimmen, und ehe nicht alles genau aufeinander abgestimmt
ist, können wir keine Hand rühren.«
    »Aber der Plan liegt sonnenklar da.
Ich habe ein Budget von sechstausend Rubeln zur Anlage eines Gartens, und Sie
brauchen nur hinzugehen und für genau

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