Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
Vom Netzwerk:
bin drübergefahren und hab’ mir fast ‘n
Reifen aufgeschnitten. Ich war so wütend, daß ich sie in hohem Bogen über die
Mauer befördert hab’. Pech für den Blauen, daß er grad im Weg stand.«
    Also ward es dem Protokollamt
kundgetan. Der verstörte und verschrammte Polizist trat abermals in
Erscheinung, Grischa entschuldigte sich höchst nichtssagend, dem Botschafter
wurde feierlich Absolution erteilt, und der Fall der fliegenden Sodawasserflasche
war erledigt.
     
    Die nächste Runde mit dem Protokollamt
gewannen dafür wir — zumindest moralisch.
    Der Plan für ein größeres und
schöneres Moskau erforderte es, daß ein ganzer Häuserblock zwischen der
Botschaftskanzlei und dem Kreml in die Luft flog. (Es ist immer ein strittiger
Punkt geblieben, ob der Kreml gegenüber der amerikanischen Botschaft liegt oder
umgekehrt. Auf alle Fälle begann es mit viel Feuerwerk.)
    Eines Tages erhielten wir vom
Kommissariat für Auswärtige Angelegenheiten eine Note, in der uns blumenreich
auseinandergesetzt wurde, daß heute in einer Woche, Punkt zwölf Uhr mittags,
gegenüber unseren Büros eine nicht unbeträchtliche Ladung Dynamit in die Luft
gehen würde. Und ob wir deshalb vielleicht rechtzeitig unsere Fenster öffnen
wollten, um zu vermeiden, daß alles vorhandene Glas in die Brüche ginge. Die
Mitteilung brauchte etliche Tage vom Kommissariat am anderen Ende der Straße
bis zu uns, kam aber immerhin noch reichlich früh genug an, so daß jeder einzelne
ermahnt werden konnte, am kommenden Freitag Punkt zwölf Uhr mittags seine
Fenster offen — und seine Augen und Ohren geschlossen — zu halten. Ergo waren
die Fenster offen, die Augen und Ohren waren geschlossen, das Dynamit
explodierte mit einem Knall, ein halbes Dutzend alter Häuser stürzte krachend
zusammen, und alle waren glücklich.
    Ungefähr acht Tage später wurde die
ganze Prozedur wiederholt, nur brauchte der Chef des Protokolls diesmal fast
eine Woche, um uns die Nachricht zukommen zu lassen. Sie erreichte uns zehn
Minuten vor der angesetzten Zeit. Hastiges Treppauf, Treppab, im
Geschwindschritt die Gänge entlang- unsere Boten schafften es knapp, die
Meldung zu verbreiten, ehe es zu spät war. Als der Knall ertönte, standen
sämtliche Fenster offen. So waren wieder einmal alle glücklich und dankten dem
Protokollamt für die erwiesene Höflichkeit und weise Voraussicht.
    Fast eine Woche später, Punkt zwölf
Uhr mittags, fand auf der anderen Straßenseite eine Explosion statt, die
Moskaus Innenstadt in den Grundfesten erschütterte. Ein paar Fenster der
Botschaftskanzlei standen zufällig offen, doch der Rest wurde in Atome
zerschmettert — mit Ausnahme derer, bei denen die Riegel so morsch waren, daß
sie von selber auf sprangen. Drei Tage nachher bat der Chef des Protokolls uns
schriftlich, doch ja darauf zu achten, daß unsere Fenster drei Tage vorher auch
geöffnet seien.
    Nach und nach fanden wir uns in der
Stadt zurecht und erübrigten sogar auch etwas Zeit für Geselligkeit. Es gab
zwei Arten geselligen Lebens: das offizielle, von dem die
Zeitungskorrespondenten berichten, und dasjenige, über das niemand schreibt.
Meine frühesten Erinnerungen an die erste Kategorie ist mit einem Fest
verknüpft, das Litwinow für Anthony Eden gab, als dieser Stellvertreter Simons
im Foreign Office war. Es war so um 1934 herum, als die verschiedensten
Regierungen eben damit begannen, sich ziemlich haarige Dinge übereinander zu
erzählen. Stalin drückte sich grob, aber eindeutig aus, als er der Welt
erklärte, er ließe die Schweinsrüssel anderer Leute nicht in seinem Garten
herumwühlen. Hitler quittierte mit Reden über Kanonen statt Butter. Litwinow
formulierte es etwas delikater, als er darauf hinwies, Frieden könne es nur
global geben oder, wie er es in seinem unnachahmlichen Englisch ausdrückte:
»Pis is indivisibel.«
    Das Eden-Dinner verlief nach dem
üblichen Schema — bis auf einen winzigen Zwischenfall. Die Botschafter waren
zum Dinner in das offizielle Empfangsgebäude, den Spiridonowka-Palast, geladen
(in dem Litwinow selber ein schmales Appartement über der Garage bewohnte). Wir
kleinen Fische wurden auf eine etwas spätere Stunde geladen und dann in die
äußeren Empfangsräume gesteckt. Hier bekamen wir Kartoffelwodka im Gegensatz
zum Weizenwodka des inneren Heiligtums und außerdem einen eher grauen als
schwarzen Kaviar und nur drei Sorten Räucherfisch statt der fünf oder sechs,
die den Botschaftern serviert wurden. Aber jeder

Weitere Kostenlose Bücher