Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
Vom Netzwerk:
Konsularbeamte
seien unter keinen Umständen auf einer Wache zurückzuhalten, wurde ihm
mitgeteilt, und außerdem setze der amerikanische Generalkonsul wegen seines
vermißten Vizekonsuls bereits Himmel und Hölle in Bewegung.
    In dem Augenblick, als ich gehen
wollte, heulten zum erstenmal seit Kriegsbeginn die Sirenen auf.
    Der Hauptmann befahl in dienstlichem
Ton allen Anwesenden, in den Keller zu gehen.
    »Ich gehe nicht« sagte ich stur.
    Der Hauptmann sah mich bestürzt an.
    »Aber ich bitte Sie, Herr Vizekonsul!
Jeder muß in den Keller. Abgesehen davon haben wir einen sehr schönen Keller
mit einem extra Gästeraum und einem ausgezeichneten Mosel. Und das Gesetz ist
Ihnen doch bekannt! Jedermann muß Schutz suchen.«
    »Und wenn ich mich weigere, werden Sie
mich wieder festhalten, nehme ich an. Nicht? Und werden sich einen zweiten
Anpfiff wegen Festnahme eines amerikanischen Konsularbeamten holen?«
    Der Hauptmann zuckte verzweifelt die
Schultern, als ich auf die Straße hinausmarschierte. Die letzten Fußgänger
rannten wild in die Keller. Die Sirenen heulten wüst und schaurig. Ein Flugzeug
brummte knapp haushoch über meinem Kopf. Ich wagte nicht aufzusehen, da ich
fest überzeugt war, es sei ein britischer Bomber und ich selber würde in den
nächsten Sekunden in Atome zerschmettert werden. Ich hastete durch die
verlassenen Straßen und versuchte dabei krampfhaft, nicht ins Laufen zu
geraten. Es hätte ja sein können, daß jemand aus einem Fenster den
amerikanischen Vizekonsul erkannt und gesehen hätte, wie sehr er sich
fürchtete. Hinter mir kam ein Polizeiauto gefahren. »Gehen Sie in den Keller!«
rief eine herrische Stimme mir im Vorbeibrausen zu.
    Endlich,
endlich erreichte ich, halb irr vor Angst, das Konsulat. Der Generalkonsul
erwartete mich an der Tür. »Nehmen Sie sich Zeit«, sagte er, »die
Luftschutzzentrale hat soeben angerufen, es sei ein Probealarm.«
     
    Im Hotel Atlantic, wo unser
Generalkonsul wohnte und nun auch die Engländer interniert waren, war es
ziemlich langweilig. Aber jeden Abend versammelten wir uns im Appartement
unseres Generalkonsuls und lauschten den Ansichten der BBC über diesen
seltsamen Krieg. Die Gestapo-Wachen unserer britischen Freunde wehrten sich
anfangs dagegen, Dr. Goebbels’ Verbot, ausländische Sender zu hören, ignorieren
zu müssen; jedoch überzeugten wir sie schnell davon, daß sie ihre Gefangenen
auf keinen Fall während der Nachrichten unbewacht lassen dürften.
    Zwei, drei Wochen nach Kriegsbeginn
rief eines frühen Morgens Berlin an, um sich zu erkundigen, wer vom britischen
Konsulat verhaftet und ins Gefängnis gekommen sei. Ich erwiderte, daß bis
gestern nacht keiner der Engländer ins Gefängnis abgeführt worden sei.
Alexander Kirk jedoch, der selber am Apparat war, beharrte auf seiner Kenntnis:
    »Na schön, wenn sie wirklich noch im
Hotel sind, so werden sie’s doch bald nicht mehr sein. Das deutsche Auswärtige
Amt hat mir soeben mitgeteilt, daß sie zwei von ihnen als Geiseln für den
deutschen Konsul und seine Sekretärin, die in Glasgow verhaftet wurden,
festnehmen werden.»
    Ich eilte zum Hotel, wo sich unsere
vier Briten gerade durch die Hälfte eines herzhaften englischen Frühstücks
gearbeitet hatten. Meine Nachrichten erschreckten sie, und es erhob sich gleich
ein lebhaftes Rätselraten, wen von ihnen die Deutschen wohl aussuchen würden.
Außer den beiden Konsuln waren zwei Sekretärinnen da: eine resolute Dreißigerin
und die achtzehnjährige Tochter eines ortsansässigen englischen Kaufmanns, die
bis zu ihrer Internierung noch nicht eine Nacht von daheim fortgewesen war.
Wenige Minuten nach meinem Eintreffen erschienen zwei Beamte mit dem
Polizeibefehl, den jüngeren Konsul und die Achtzehnjährige ins Gefängnis zu
bringen. Wir wünschten ihnen alles Gute, und ich versprach, während des Tages
nach ihnen zu sehen.
    Erst am späten Nachmittag gelang es
mir, ins Gefängnis zu kommen. Man konnte den Ort nicht gerade wohnlich nennen.
Während ich im Besuchszimmer wartete, hörte ich das Rasseln von Eisengittern
und den Widerhall eisenbeschlagener Stiefel auf dem Zement der Korridore.
Zuerst brachten sie das junge Mädchen. Es stürzte auf mich zu, umklammerte
meinen Hals und brach in hysterische Tränen aus. Sobald ich mich wieder etwas
befreit hatte, begann ich, sie nach Möglichkeit zu trösten, und gab ihr einen
Schlafanzug und ein Päckchen mit allerlei Kleinigkeiten, das ihre besorgte
Mutter ihr schickte, und versprach,

Weitere Kostenlose Bücher