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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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Woche abgeraten hatte, an Land zu
gehen.
    »Das is’n verdammt unerhörtes
Benehmen«, tobte er los, »die Regierung kann uns schließlich nicht so einfach
hier ‘rumliegen lassen! Die müssen uns’n Schlachtschiff ‘rüberschicken,
verflucht noch mal!« Ich schlug ihm vor, er solle sich eins von den Deutschen
pumpen.
    Ein anderer hielt uns eine
stundenlange, feierliche Vorlesung über die Schändlichkeit Chamberlains: »Es
wird keinen Krieg geben, sage ich Ihnen — ich weiß es bestimmt! Chamberlain
versucht nur, uns einen Schrecken einzujagen, und Sie stecken mit ihm unter
einer Decke!« über die Köpfe der Wartenden hinweg erspähte ich einen der
britischen Vizekonsuln. Er schwenkte ein Telegramm. »warone« stand darauf.
    Durch den Lärm der Menschen und Stukas
brüllte ich ihm einen Glückwunsch zu. Dann ließ ich vom Bürodiener auf dem
Anschlagbrett draußen eine Notiz anheften, die den Kriegszustand zwischen
Deutschland und England bekanntgab.
     
    Die Menge im Konsulat löste sich nach
und nach auf, und es begann dunkel zu werden. Licht durften wir nicht machen,
weil wir einfach noch nicht dazu gekommen waren, Verdunkelungsvorhänge
anzubringen. Ich ging in den Waschraum (der als einziger keine Fenster hatte)
und skizzierte den telegrafischen Tagesrapport nach Washington. Mitten in meine
Arbeit hinein läutete die Haustürglocke. Ich ließ mich nicht stören.
    Als ich die Depesche glücklich fertig
hatte, klingelte es draußen noch immer.
    Ich ging zur Tür und öffnete sie
ungeduldig.
    Ein etwas aufgelöster junger Mann
stand davor.
    »Kann ich den Generalkonsul sprechen?«
fragte er bescheiden.
    »Verflixt, nein!« antwortete ich
wütend, »außer mir sind alle längst weg, und dienstlich ist das Konsulat
sowieso bis morgen früh geschlossen. Kommen Sie gefälligst dann wieder.«
    »Aber ich habe den Auftrag, mich
sofort nach meiner Ankunft beim Generalkonsul zu melden.«
    »Ihre Aufträge sind mir verdammt
piepe! Kommen Sie morgen früh wieder! Und überhaupt: Wer hat Ihnen denn gesagt,
Sie sollten sich beim Generalkonsul melden?«
    »Der Staatssekretär, Sir«, flüsterte
der junge Mann schüchtern, »ich bin soeben aus Washington angekommen.«
    »Ja, was, zum Teufel, bildet sich denn
dieses Washington ein?« explodierte ich. »Wir haben von morgens bis abends alle
Hände voll zu tun, möglichst jeden noch rechtzeitig nach Hause zu expedieren,
und das State Department fängt an, uns lustige Leute nach hier zu schicken! Wer
sind Sie denn überhaupt?«
    »Es tut mir schrecklich leid, Sir,
aber ich bin der neue Vizekonsul.«
    Immer noch ungnädig knurrend, ließ ich
ihn ein und bat ihn, zu warten, bis ich mit dem Verschlüsseln des Telegramms
fertig sei. Dann fragte ich ihn: »Wo sind Sie abgestiegen? Hoffentlich nicht im
Stadtzentrum. Die Engländer können jeden Augenblick damit beginnen, den Bahnhof
zu bombardieren.« (Wir ahnten natürlich nicht im entferntesten, daß die
Engländer keinen einzigen gebrauchsfertigen Bomber besaßen und auch in den
nächsten Jahren nicht besitzen würden.)
    »Oh —und ich wohne ausgerechnet im
Bahnhofshotel! Vielleicht sollte ich umziehen?«
    Ich fuhr ihn zum Bahnhofshotel, holte
seinen Koffer und nahm ihn für die Nacht mit zu mir. Als ich im folgenden Jahr
versetzt wurde, war er noch da.
    Mitten in der Nacht rasselte das
Telefon. Das Telegrafenamt teilte mir mit, daß alle Telegramme, die wir am
vergangenen Tag aufgegeben hatten, von der Zensur gestoppt worden seien. Nun
waren sie zum Glück nicht wichtig — bis auf zwei nach Rotterdam und Kopenhagen,
in denen wir die Ankunft von einigen hundert Amerikanern angekündigt und die
Konsulate gebeten hatten, sie irgendwie auf heimwärts fahrenden Schiffen
unterzubringen. Ich rief das Fernamt an und bat das Fräulein, mir Kopenhagen zu
geben. Sie versuchte es und rief mich wieder an: »Tut mir leid, Ferngespräche
nach Kopenhagen sind nicht gestattet.« ..Geben Sie mir Rotterdam.«
    »Bedaure — ebenfalls nicht erlaubt.«
    Brüssel, Amsterdam, Den Haag — immer
die gleiche Antwort. Es war ein scheußliches Gefühl, so völlig von der Welt
draußen abgeschnitten zu sein. Ich rief die Botschaft in Berlin an, um den
Zwischenfall zu berichten. Der Geschäftsträger, Alexander Kirk, war selbst am
Apparat.
    »Und ob ich das weiß«, seufzte er.
»Seit sechs geschlagenen Stunden versuche ich, Washington zu bekommen.«
    Eine kurze Weile später rief mich der
junge Mann vom Telegrafenamt wieder an: »Ich dachte, es

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