Baeuerin sucht Frau
werden. Alle Beteuerungen, wie wenig ich mich als Aufpasserin einer widerspenstigen Fünfzehnjährigen eignen würde, prallten an meiner Schwester ab.
»Sylvia!?« Antje stupst mich an und holt mich aus meiner Erinnerung in die Gegenwart zurück.
»Nein, natürlich habe ich das nicht vergessen. Ich habe sogar schon eine Idee, wie ich Nina von ihrem Liebeskummer ablenke.«
»Und wie?« Antje ist selbstredend bereits auch in diese Problematik eingeweiht. Noch am selben Tag als Ramona mich anrief, jammerte ich Antje vor, was auf mich zukommen würde.
»Mit Arbeit natürlich! Ställe ausmisten, Rasen mähen, den Laden putzen.« Ich verziehe keine Miene bei meinen Worten, gerade so als sei es mir eine Genugtuung, Nina büßen lassen, dass ihre Mutter mich derart überfahren hat.
Antje hebt alarmiert die Augenbrauen. »Das ist nicht dein Ernst. Du kannst Nina doch nicht zu deinem Arbeitssklaven machen. Außerdem, ein Teenager braucht Kontakt zu Gleichaltrigen.«
Natürlich meine ich das nicht ernst. Aber es macht mir Spaß, Antje aufzuziehen.
»Hat sie doch. In der Schule«, erwidere ich lapidar.
»Du bist eine Rabentante.« Antje ist entsetzt. »Ich werde Nina vor dir schützen müssen.«
Jetzt endlich bemerkt sie das Zucken um meinen Mund. »Das findest du witzig, was?«
Ich kichere.
»Fein. Ich lache dann später. Wenn du dir die Haare raufst, weil du keine Ahnung hast, wie eine Fünfzehnjährige tickt«, bringt Antje mich unsanft auf den Boden der Tatsachen zurück.
Mir ist plötzlich gar nicht mehr nach Kichern zumute.
»Aber du hast versprochen, mir zu helfen«, erinnere ich meine Freundin kleinlaut.
»Das überleg ich mir noch mal, wenn du mich so durch den Kakao ziehst.«
»Och, Antje. Bitte, bitte, bitte«, bettele ich reumütig. Meine Hand zu einer Kralle geformt kratze ich mich unterwürfig flehend bei ihr ein.
Antje schüttelt demonstrativ meine Hand ab. »Zu spät.«
»Antje«, schmeichelt meine Stimme. Meine Finger krabbeln spielerisch ihren Arm hoch.
»Nein.«
»Du bist doch die beste, nachsichtigste, verzeihendste Freundin, die es gibt«, schnurre ich. Zumindest versuche ich, einem Schnurren nahe zu kommen. Noch ein Blick voller Reue dazu, schließlich weiß ich, was von mir erwartet wird. Es ist nicht das erste Mal, dass Antje und ich dieses Spiel spielen, wenn ich in ein Fettnäpfchen getreten bin.
»Du nimmst mich nicht ernst«, beschwert Antje sich.
»Natürlich nehme ich dich ernst. Du bist Pädagogin. Eine Autoritätsperson«, gluckse ich, bemerke meinen Rückfall gerade noch rechtzeitig, beiße mir auf die Zunge. Mit zusammengepressten Lippen sehe ich Antje so ernst wie möglich an. Es dauert keine zwei Sekunden und wir prusten gleichzeitig los.
3
Antje und ich warten am Bahngleis. Wir sind zehn Minuten zu früh. Die Sonne scheint vom beinah wolkenlosen Himmel. Der Wind weht nur lau. An einem so schönen Sommertag werde ich also eine Fünfzehnjährige adoptieren.
Auch an einem Samstagnachmittag ist der Pleßnitzer Bahnhof fast menschenleer. Noch leerer als in der Woche, wenn Pendler wie Antje in die Stadt fahren.
Das Quietschen von Bremsen quält meine Ohren. Der einfahrende Zug kommt zum Stehen, die Türen öffnen sich. Nur wenige Menschen steigen aus. Ich habe es leicht, Nina unter ihnen auszumachen. Sie ist seit unserer letzten Begegnung vor fünf Monaten noch ein Stück in die Höhe geschossen. Kräftiger ist sie nicht geworden. Ich habe ein wenig Angst, dass Nina unter der großen Reisetasche zusammenbricht.
Das schlaksige Mädchen sieht sich suchend um. Entdeckt mich. Ich gehe auf sie zu.
»Hallo Nina. Schön, dass du da bist.« Ich umarme meine Nichte. Als ich ihr die Tasche abnehmen will, wehrt Nina unwillig ab. »Ich schaffe das schon allein.«
»Klar.« Ich ziehe meine Hand zurück. »Und?« Maximalen Schwung in meine Stimme legend, versuche ich gute Laune zu verbreiten. »Bist du bereit für das Landleben? Natur pur.«
Nina rümpft die Nase. »Langeweile und stinkender Schweinemist. Wie kann man für so was bereit sein? Ich bin froh, wenn es vorbei ist.«
Ich versuche es mit einer positiven Erinnerung. »Weißt du noch, als du das letzte mal hier warst? Da hat es dir hier sehr gefallen.«
Das war kurz vor der Abreise nach Afrika. Nina und ihre Eltern besuchten mich auf meinem Hof, den ich gerade gekauft hatte. Damals war Nina im Entdeckeralter, erforschte neugierig jeden Winkel des Hofes und ergoss ein wahres Meer von Fragen über mich.
»Da war ich
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