Baeuerin sucht Frau
eine kleine Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. In Form eines dreiviertel Liters am besten. Er wird ihn natürlich nicht annehmen wollen. Es wird ein langes Hin und Her geben, in dessen Ergebnis zwei nachlässig am Blaumann abgewischte, ölverschmierte Hände endlich nach der Flasche greifen, von einem gebrummten Wäre aber nicht nötig gewesen begleitet. Ich sehe es schon deutlich vor mir.
Ach ja, die Pleßnitzer. Im Grunde sind sie ja ganz nett. Etwas eigen, hier und da etwas schrullig. Man muss sich an sie gewöhnen. Und das habe ich. Wenn es nur umgekehrt auch endlich so wäre. Mittlerweile kann ich die unterschwellige Ausgrenzung der Dorfbewohner beim besten Willen nicht mehr irgendeiner anfänglichen Zurückhaltung zuschreiben. Einem »Mal abwarten wie die Neue so ist«. Ich habe Antje und Erik gefragt, was ich tun muss, um den Makel der Zugezogenen abzulegen. Die haben nur mit den Schultern gezuckt, was soviel heißt wie: Da ist nichts zu machen. Das ist eben so.
Ich schaue zu Antje, die gerade letzte Hand an die Blumenkohlsoße legt. Sie nickt mir zu. Die Soße ist fertig. Prüfend steche ich mit dem Messer in eine der Kartoffeln. Es versinkt butterweich. Die Schnitzel braten in der Pfanne, verbreiten einen verführerischen Duft. Goldgelb lockt die Kruste der panierten Fleischscheiben. Ich schalte die Herdplatte aus.
»Die Kartoffeln sind gut«, sage ich, verkünde damit für Erik das Ende der Wartezeit. »Machst du den Rest fertig?«, bitte ich Antje. »Ich hole Nina.«
Vor Ninas Zimmer angekommen klopfe ich an die Tür, trete ein. »Nina? Essen ist fertig. Kommst du?«
Sie sitzt im Schneidersitz auf dem Bett, vor ihr ein Laptop. Offenbar befindet sich meine Nichte in einer ganz anderen Welt.
»Nina?!«
»Ja?«
»Essen ist fertig. Es gibt Schnitzel.« Einer der Tipps aus der Rubrik taktische Hinweise, mit denen Ramona mich versorgte, ist, dass Schnitzel Ninas Lieblingsessen ist. Und natürlich ist es die pure Berechnung, Nina gleich am ersten Tag damit zu überraschen.
Ninas Blick hellt sich auch tatsächlich auf. »Komme gleich, nur noch das Spiel zu Ende.«
»Wir fangen jedenfalls an.« Ich gehe aus dem Zimmer, die Treppe hinunter, rechne eigentlich nicht mit Ninas baldigem Erscheinen, will sie aber am ersten Tag nicht gleich zu hart an die Kandare nehmen.
Doch Nina kommt tatsächlich nur zwei Minuten nach mir in die Küche. Sie setzt sich an den freien Platz am Tisch, nimmt sich ein Schnitzel aus der Pfanne. Eigentlich sieht sie ganz entspannt aus. Der erste Frust ist wohl abgeklungen.
»Gibt es keine Pommes dazu?« Nina schaut mich fragend an.
Ich verstehe die Frage nicht. Es stehen doch Kartoffeln auf dem Tisch und Antjes Traum von einer Blumenkohlsoße.
Nina steht auf, geht zum Kühlschrank, greift hinein, fördert eine Flasche Ketchup zu Tage. Entgeistert schaue ich ihr dabei zu, wie sie ihr Schnitzel mit der roten Tomatentunke zudeckt. Damit hat Nina offenbar alles was sie braucht, denn sie schneidet sich ein Stück ab, schiebt es in den Mund.
Antje grinst über mein blödes Gesicht. Sie ist natürlich mit den Essgewohnheiten von Teenagern besser vertraut als ich und nicht überrascht von Ninas McDonaldsgebaren.
»Nina. Was hältst du davon, wenn wir dir morgen das Dorf zeigen?«, schlägt Antje vor.
Nina zuckt mit den Schultern. »Meinetwegen«, meint sie kauend.
»Und anschließend gehen wir Eis essen. Wir haben nämlich eine prima Eisdiele hier. Welches Eis magst du am liebsten?«
Ketchup-Eis, schießt es mir durch den Kopf.
»Schoko.«
»Ach ja? Ich auch.«
Das stimmt. Antje liebt Schoko-Eis. Überhaupt alles was mit Schokolade zu tun hat oder sonst irgendwie süß ist. Leute die keine Schokolade mögen, sind Antje in höchstem Maße suspekt. Ihr Vorschlag mit der Eisdiele wurde dann wohl auch von ihrer Naschsucht getrieben und ließ sie für ein Sekündchen vergessen, dass sie sich lieber an Orten aufhält, wo es keine Wespen gibt. Vor denen hat Antje nämlich panische Angst. Was nicht selten zu plötzlichen Fluchttänzen führt. Ähnlich den Kriegstänzen der Indianer in den Winnetou-Filmen, von denen ich als Kind nicht genug bekommen konnte, nur hektischer. Die wild tanzende Antje ist in Pleßnitz ein bekanntes Bild. Werden Ortsfremde Zeuge einer solchen Szene schauen sie irritiert oder amüsiert. Sicher fragen sie sich, warum noch niemand dieser Frau zur Therapie geraten hat. Aber auf so eine Idee würde ein Pleßnitzer nie kommen. Hier nimmt man Antje wie sie ist,
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