Baeuerin sucht Frau
fassen.
»Hiergeblieben!« Unter meinen Füßen spüre ich einige besonders spitze Exemplare des Kieselsteinbelags im Hof. »Autsch«, entfährt es mir. Ungehalten über das unangenehme Piksen unter meinen Fußsohlen fahre ich Nina an: »Hast du sie nicht mehr alle? Wo willst du denn überhaupt hin?«
»Ist doch egal«, blafft die zurück. Dann, ohne jede Vorwarnung, schießen Tränen in Ninas Augen. »Wen interessiert schon, was ich mache oder wie es mir geht?«, schluchzt sie.
Krise!, schrillt es in meinem Kopf.
»Alle behandeln mich wie ein Kind«, jammert Nina heulend. »Niemand nimmt mich ernst.«
»Das ist nicht wahr«, widerspreche ich.
»Ach nein? In den letzten vier Wochen hat mich niemand nach meiner Meinung gefragt. Ich wurde einfach hierher verklappt, damit meine ach-so-gefragten-Eltern eine weitere wissenschaftliche Publikation veröffentlichen können. Und du lässt dich vor ihren Karren spannen. Ich lasse mir das nicht länger gefallen.«
Unter meinen Füßen pikst es immer noch äußerst unangenehm. »Können wir das vielleicht drinnen diskutieren?«
»Ich will nicht diskutieren.«
»Na schön. Aber du wirst ja wohl einsehen, dass ich dich nicht gehen lassen kann. Was glaubst du passiert, wenn du abhaust?«
»Ist mir doch egal. Wahrscheinlich rufst du die Bullen, dass sie mich aufgreifen und zurückbringen. Aber dann haue ich wieder ab. Ihr müsst mich schon festbinden und einsperren, um das zu verhindern.«
Ich stöhne.
Ich bin müde! Und sehe mich diesem Drama ausgesetzt. Das ist mir alles zuviel. Dementsprechend unwirsch reagiere ich. »Die Polizei. Das hättest du gerne. Nichts da. Ich rufe deine Mutter an. Die wird dir ordentlich den Marsch blasen. Im besten Fall holt sie dich zu sich nach Afrika. Dann bist du noch weiter von deinen Freunden weg. Chatten nach Deutschland ist dann nicht mehr. Wie ich Ramona kenne, wird sie dem Grenzen setzen. Ist es das, was du willst?« In Ninas Gesicht arbeitet es.
»Du und Ramona ihr habt den selben Dickkopf«, seufze ich. »Und ich stehe zwischen euch. Womit habe ich das verdient?« Ich stakse zur Treppe vor der Eingangstür, plumpse matt auf die unterste der drei Stufen, schaue Nina resigniert an. Deren Schluchzen verebbt allmählich. Angesichts meiner Verzweiflung schnieft sie nur noch. Ich nutze die Ruhephase.
»Vorschlag«, sage ich zu Nina. »Du kommst mit rein, gehst auf dein Zimmer und wir tun so, als wäre die Nacht ruhig und ohne diese letzten zehn Minuten verlaufen.«
In Nina kämpft Einsicht gegen Auflehnung. Ich sehe es ihr an und warte. Endlich geht eine Bewegung durch Nina. Langsam nähert sie sich der Treppe auf der ich sitze, lässt sich neben mir nieder. »Aber es ist so ätzend hier.«
Hätte ich geahnt, welche Auswirkungen es hat, ich hätte Antje nichts von den nächtlichen Ereignissen erzählt. Aber ich wollte bemitleidet werden, und das habe ich nun davon. Als ich Antje und Nina heute Morgen zum Bahnhof fuhr, machte Antje Nina einen Vorschlag: »Und wenn Ronnie dich am Wochenende besucht?«
Ich war sprachlos. War Antje verrückt geworden? Ich soll auf Nina aufpassen! Dabei konnte irgendein Ronnie nicht hilfreich sein! Die Devise lautete: Wir halten Nina von Jungen fern, nicht wir legen sie ihnen, schon gar nicht einem speziellen, in die Arme!
Genau das versuche ich Antje jetzt, beim abendlichen Kochen, mit leichter Panik in der Stimme klar zu machen. Nina ist auf ihrem Zimmer, schwelgt im siebten Himmel. Und ich? Ich habe Antjes Vorschlag noch nicht zugestimmt, aber habe ich eine andere Wahl?
»Jetzt bin ich die böse Tante, wenn ich nein sage!« Der Schäler in meiner Hand häutet rabiat eine Mohrrübe.
»Sylvia, nun entspann dich doch mal. Was ist dabei?« Antje schneidet den Porree in Ringe. »Falls der Junge wirklich kommen will, was ja noch nicht sicher ist, werden wir zu viert ein paar nette Wochenenden haben. Die beiden Verliebten werden sich ab und zu davonstehlen, wir werden darauf achten, dass sie es nicht zu lange tun, und nichts wird passieren. Übernachten kann Ronnie bei Erik. Wo ist das Problem?«
Ich schüttele vehement mit dem Kopf. »Das ist doch nicht kontrollierbar!«
»Kontrollieren ist sowieso die falsche Strategie. Du musst Nina vertrauen.«
Pädagogisches Palaver. Ich bin die Tante. Die Schwester der Mutter. Welche mich lynchen wird, wenn sie von diesem Experiment erfährt.
»Ist es dir lieber dich drei Monate lang mit einem frustrierten Teenager herumzuschlagen? Ich sage dir, du hast keine
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