Bahama-Krise
sich.
»Kommissar Perigord möchte Sie sprechen. Kann er hereinkommen?«
Ich hatte Perigords Besuch erwartet, aber nicht schon heute.
Meine Achtung für ihn stieg, er war schnell.
»Führen Sie Kommissar Perigord herein, bitte.«
Die Tür schwang auf, Perigord trat ein. Ich warf einen Blick
auf seine tadellose Uniform. Dann bemerkte ich den Ausdruck
entschlossener Härte in seinem Gesicht. Nichts mehr von der
Gelassenheit, die ihn bei unseren ersten Kontakten gekennzeichnet
hatte. »Was kann ich für Sie tun?« empfing ich ihn. »Bitte, nehmen Sie
Platz.«
Er nahm seine Uniformmütze ab und legte sie auf den Tisch,
ebenso den dünnen Offiziersstock. Eine Weile lang betrachtete er mich
aus seinen Augen, die noch einen Ton finsterer waren als sein Gesicht.
»Gehen wir nicht um den heißen Brei herum, Mr. Mangan«, begann
er. »Sie haben mir einiges zu erzählen. Ich bin ein aufmerksamer
Zeitungsleser. So ist mir nicht entgangen, daß Sie in Texas entführt
worden sind. Wie es heißt, haben Sie bei Ihrer Flucht zwei Männer
getötet. Meinen Sie nicht, daß ein Kommentar angebracht ist?«
Wenn ich heute darüber nachdenke, wundere ich mich selbst.
Aber ich war auf die Frage nicht vorbereitet. Wie ein Schuljunge, der
brav seine Aufgaben gemacht hat, war ich nach Hause zurückgekehrt.
Irgendwie hatte ich erwartet, daß man mich dort mit Wohlwollen, wenn
nicht gar mit Lob empfangen würde. Auch die fragenden Blicke von Jessie
waren mir keine Warnung gewesen. Dabei hätte ich mir denken können, daß
die Zeitungen auf den Bahamas in Schlagzeilen über die Entführung von
Tom Mangan berichtet hatten. Daß Jessie diese Berichte gelesen hatte.
Und daß auch Kommissar Perigord davon Kenntnis hatte, so daß er bei
seinem Besuch unweigerlich darauf zu sprechen kommen würde.
»Ich werde Jessie bitten, sie soll die Zeitungsausschnitte in
ein schönes rotes Album kleben«, sagte ich ironisch.
Er ging nicht auf meinen schwachen Scherz ein. »Was ich weiß,
stammt nicht nur aus den Zeitungen«, sagte er ernst. »Officer Booth von
der Staatspolizei Texas hat mich angerufen und mich über die Ereignisse
drüben ins Bild gesetzt. Er hat sich zugleich über Sie erkundigt.« Ich
sah auf. »Das ist völlig normal. Sie standen unter Verdacht, und da
informiert man sich unter Kollegen über das Vorleben des Betreffenden.
Officer Booth hat mich nach Ihrem Vorstrafenregister gefragt, nach
Ihrer sozialen Stellung, nach der Anzahl Ihrer Freundinnen zur linken
Hand, alles, was die Polizei so interessiert.« Er lächelte. »Ich habe
Ihnen ein erstklassiges Zeugnis ausgestellt.«
»Nett von Ihnen.«
»Und dann haben wir über unsere gemeinsamen Probleme
gesprochen. Über den Drogenschmuggel unter anderem. Texas hat ja eine
lange Grenze mit Mexiko.«
»Glauben Sie immer noch, daß die Sache mit Drogenschmuggel zu
tun hat? Ich bin da nicht mehr sicher.«
Perigord hob die dunkelbraunen Hände. »Ich neige dazu, solche
Dinge offenzulassen, bis das Gegenteil bewiesen ist. Übrigens habe ich
mit Interesse die Niederschrift Ihrer Aussage vor dem Schwurgericht in
Austin gelesen.«
Ich war überrascht. »Ich denke, das Sitzungsprotokoll ist
niemandem zugänglich. Das Verfahren ist doch eingestellt.«
Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. »Sehen Sie, Mr.
Mangan, Sie sind nicht der einzige, der gute Beziehungen in Texas hat.
Was das Protokoll angeht, so habe ich gar nicht genau hingesehen. Ich
habe eigentlich nur zwischen den Zeilen gelesen. Und da ist mir
aufgefallen, daß da ein mysteriöser Mr. Robinson erscheint. Er
erscheint nicht nur, er entschwindet auch auf wunderbare Weise. Dabei
war Mr. Robinson doch der Mann, der offensichtlich das Ganze finanziert
hat. Wir haben also einen geheimnisvollen Unbekannten, der blitzschnell
zuschlägt, keine Spuren zurückläßt und in der Folge als unsichtbarer
Geist über den Wassern schwebt. Der Unbekannte verfügt über Geld aus
unbekannten Quellen. Er befehligt ein Regiment von Dunkelmännern und
läßt einen gewissen Kayles erschießen. Natürlich löst sich auch Kayles
am Ende seiner irdischen Laufbahn in Luft auf. Seine Leiche bleibt
verschwunden. Finden Sie das alles nicht etwas seltsam?«
»Es ist leicht, eine Leiche im Big Thicket Country
verschwinden zu lassen«, sagte ich. »Man braucht sie nur ins Moor zu
versenken.«
Perigord schüttelte den Kopf. »Ich bin trotzdem etwas
unglücklich über die Entwicklung der Dinge, und mein Kollege Officer
Booth ist ganz meiner Meinung. Sie sind der
Weitere Kostenlose Bücher