Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bahama-Krise

Bahama-Krise

Titel: Bahama-Krise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Desmond Bagley
Vom Netzwerk:
verkrampft. Laß dich gehen. Es ist
nichts dabei, wenn ein Mann weint. Aber wenn jemandem zum Heulen zumute
ist und er tut's nicht – das ist schlimm.«
    Er drehte sich um und verließ mich.
    Was er gesagt hatte, ging mir im Kopf herum.
Bei einer anderen Gelegenheit hatte er einmal bemerkt, er sei durch das
Gespräch mit den Patienten allmählich zu einem guten Psychologen
geworden. Das stimmte. Ich saß wohl eine gute Stunde vor dem Glas, das
er mir eingeschenkt hatte, und starrte in die braune Flüssigkeit. Dann
trank ich den Inhalt in zwei langen Zügen aus. Es brannte wie Feuer.
Eine Viertelstunde später lag ich auf der Couch und schluchzte, bis ich
einschlief. Es war gegen fünf Uhr morgens, als ich aufwachte. Ich stand
auf, knipste das Licht aus und ging ins Schlafzimmer. Ich weiß noch,
was ich dachte, bevor ich erneut wegdämmerte. Julie und Sue waren tot,
daran war nichts zu ändern. Diese Erkenntnis kam mir mit einer Ruhe,
die ich nicht verstand. Aber ich akzeptierte die Tatsachen, und ich
fühlte, das war gut für mich. Es war wohl wirklich so, wie mein
Schwiegervater gesagt hatte. Irgendwann hörte man auf zu trauern.
    Vier Tage später begleitete ich Karen nach
Abaco. Debbie kam mit. Meine Schwester und Bob, ihr Mann, waren dabei,
als ich Karen sagte, daß ihre Mutter und ihre Schwester tot waren. Sie
würde fürs erste bei Onkel und Tante wohnen. Dann würde man weitersehen.
    »Meinst du, daß Mutter nie mehr zurückkommt?« fragte sie mit
großen Augen.
    »Du erinnerst dich doch, wie Timmy starb«, sagte ich. Das war
ein kleiner Hund, den sie sehr gern gehabt hatte, und der von einem
Auto überfahren wurde. »Hier ist es auch so, Karen. Sie sind beide tot.«
    Tränen erschienen in ihren Augen, sie preßte die Wimpern
zusammen. »Timmy war tot«, sagte sie, »das habe ich selbst gesehen.
Aber Mutter ist nicht tot!« Sie brach in Tränen aus. »Ich glaube dir
kein Wort«, schrie sie, während sie vom Schluchzen geschüttelt wurde.
»Ich glaube dir nicht! Ich will meine Mutter wiederhaben. Meine
Mutter …«
    Peggy nahm sie in die Arme und tröstete sie. »Es ist am
besten, wenn ich sie jetzt zu Bett bringe«, sagte sie. Arm in Arm
gingen die beiden hinaus.
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, bemerkte Bob. Die Szene
war ihm nahegegangen, ebenso wie mir.
    »Irgendwie muß es weitergehen«, sagte ich. »Ich weiß noch
nicht, wie, aber ich werd's schon schaffen. Wo ist Debbie?«
    »Draußen auf der Terrasse.«
    Ich sah auf meine Uhr. »Wir müssen zurück, das Flugzeug wird
gebraucht. Ich werde euch so oft wie möglich besuchen. Wenigstens
einmal in der Woche.«
    Debbie und ich sprachen kaum, während wir
über das schimmernde Grün der Wogen nach Grand Bahama zurückflogen. Wir
waren beide in unseren Gedanken versunken. »Ich denke, Sie müssen jetzt
bald nach Houston zurückfliegen«, sagte ich nach langem Schweigen.
    »Ja«, sagte sie abwesend. Dann setzte sie sich auf und
schüttelte lächelnd den Kopf. »Und ich dachte, ich wäre
unglücklich.«
    »Was meinen Sie?«
    Sie lachte trocken. »Soll ich es Ihnen wirklich erzählen?«
    »Warum nicht? Weinen wir uns aus, jeder an der anderen
Schulter.«
    »Ich habe einen Mann geliebt«, begann sie. »Jedenfalls dachte
ich, es wäre ein Mann. Bis ich entdeckte, daß er mich nur wegen meines
Geldes liebte. Zufällig wurde ich Zeuge eines Telefongesprächs, wo er
seiner Freundin die Wahrheit über sein Verhältnis zu mir erzählte. Er
sagte ihr klipp und klar, wieviel Geld er durch die Heirat mit mir
absahnen würde und was für ein Leben er führen würde, wenn wir erst
einmal die Ringe gewechselt hätten. Die Freundin war schon mit
eingeplant. Das war das Mädchen, mit dem er mich betrog, und mit dem er
mich den Rest des Lebens betrügen wollte.«
    »So was tut weh«, sagte ich.
    »Ich muß blind gewesen sein«, fuhr sie fort. »Billy hat mich
vor diesem Mann gewarnt. Er traute ihm nicht über den Weg, das hat er
mir unmißverständlich gesagt. Aber ich wollte ja nicht hören. Ich
fühlte mich als erwachsene Frau, als jemand, der was versteht vom
Leben.«
    »Wie alt sind Sie jetzt, Debbie?«
    »Im reifen Alter von fünfundzwanzig.«
    »In dem Alter ist meine erste Liebe in die Brüche gegangen«,
tröstete ich sie. »Das war, bevor ich Julie kennenlernte. Ich bin
sicher, Sie werden darüber wegkommen, glauben Sie mir!«
    »Meinen Sie wirklich? Jedenfalls habe ich was dabei gelernt.
Das Schlimme ist nur, mir gefällt die Lektion nicht. Sie gefällt

Weitere Kostenlose Bücher