Bahama-Krise
Es gibt also eine Versicherung, die beim
Verlust des Bootes für den Schaden einsteht.«
»Selbstverständlich.«
»Und Sie, Mr. Mangan, sind Sie auch versichert? Haben Sie eine
Lebensversicherung?«
»Gewiß.«
»Ihre Frau auch?«
Ich starrte ihn entgeistert an. »Ich bin reich genug, daß ich
aus dem Tod meiner Frau keine finanziellen Vorteile ziehen muß! Was hat
die Frage zu bedeuten?«
Er hob beschwichtigend die Hände. »Es tut mir wirklich leid,
Mr. Mangan«, sagte er. »Wir müssen in unserem Beruf manchmal Fragen
stellen, die den Betroffenen taktlos erscheinen. Aber diese Fragen sind
notwendig. Ich wollte Sie in keiner Weise beleidigen, bitte glauben Sie
mir das.«
»Ich habe nach alledem nicht sehr starke Nerven«, sagte ich.
»Und ich nehme Ihnen Ihre Fragen nicht übel. Entschuldigen Sie bitte,
wenn dieser Eindruck entstehen konnte.«
Er stellte noch eine ganze Reihe weiterer
Fragen. Mit den Antworten, die ich ihm gab, schien er zufrieden zu
sein. Inzwischen war Inspektor Hepburn zurückgekommen. Perigord erhob
sich und griff nach seiner Mütze und nach seinem dünnen Stock.
»Das wäre alles für heute, Sir. Ich werde Sie auf dem
laufenden halten, was sich bei der weiteren Untersuchung des Falles
ergibt. Es wird mit Sicherheit eine gerichtliche Verhandlung geben, zu
der Sie geladen werden. Darf ich Ihnen inzwischen mein aufrichtiges
Mitgefühl aussprechen. Ich mochte Ihre Frau sehr gern.«
»Ist sie denn tot? Woher wissen Sie das?« sagte ich mit
tränenerstickter Stimme.
»Es gibt seit zweieinhalb Tagen keine Spur von dem Boot«,
entgegnete Perigord düster.
Ich faßte mich und zwang mich, die Nerven zu behalten. »Was
ist Ihrer Meinung nach passiert?« fragte ich ihn.
»Ich bezweifle, ob wir das je erfahren werden, Mr. Mangan.
Vielleicht gab es ein Leck in den Treibstofftanks. Der Treibstoff
sammelt sich in einem solchen Fall im Rumpf des Bootes, wo es zu einer
Explosion oder zu einer Verpuffung kommen kann. Das kommt gar nicht so
selten vor. Oder aber ein Supertanker ist über das Boot hinweggefahren
und hat es versenkt.«
»Am hellichten Tage?«
»Wir wissen doch gar nicht, ob es am hellichten Tage geschah
oder in der Nacht«, gab er zu bedenken. Dann zuckte er die Achseln.
»Wenn ein Supertanker nachts mit einem Segelboot kollidiert, merkt das
auf dem Tanker niemand. Stellen Sie sich einen Tanker vor, der 300.000
Tonnen Öl gebunkert hat. Das Gewicht eines solchen Tankerriesen ist so
groß, daß der stählerne Rumpf auf den Zusammenstoß mit einem Boot nicht
einmal mit einer Erschütterung reagiert. Der Tanker fährt weiter, als
wäre nichts gewesen.« Er sah mich an. »Wir werden unser Bestes tun, um
das Geheimnis zu lüften. Aber versprechen kann ich nichts.« Damit
verabschiedete er sich. Inspektor Hepburn folgte ihm.
Die beiden waren noch keine zwei Minuten aus dem Hause, als
Luke, der Diener, in die Bibliothek kam. Er machte ein sorgenumwölktes
Gesicht.
»Dieser Polizeibeamte, Sir …«
»Wer – Perigord?«
»Nein, der andere, den ich in die Wohnung von Pete geführt
habe. Er ist Inspektor beim Sonderkommando für Drogen, Sir. Ich dachte,
das könnte Sie interessieren.«
Viertes
Kapitel
A m Abend jenes Tages hatte ich die Begegnung
mit meinen Schwiegereltern auszustehen. Wie ich leicht befremdet
feststellte, nahmen die beiden das Unglück gefaßter auf als ich. Ich
fühlte eine kalte, hilflose Wut in mir hochsteigen. Ich hätte gern
zugeschlagen, aber es gab kein Ziel. Die Eltern von Julie waren da
wesentlich abgeklärter. Es waren alte Leutchen, nicht allzu weit
entfernt von der Schwelle zum Tod. Für sie war Sterben kein unerhörtes
Ereignis, sondern eine Tatsache, der man ins Auge zu sehen hatte.
Jedenfalls schien es mir, daß die beiden ihren Frieden mit dem Tod
geschlossen hatten, auch wenn er ihnen kurz vor dem eigenen Verlöschen
die Tochter nahm. Mike, mein Schwiegervater, war pensionierter Arzt.
Zeit seines Lebens hatte er mit Sterbenden und Verunglückten zu tun
gehabt. Er und meine Schwiegermutter bemühten sich, mich zu trösten, so
gut es ging.
Nachdem sie bereits zu Bett gegangen war, legte er mir die
Hand auf die Schulter und sah mich an. »Ich weiß, wie dir zumute ist«,
sagte er. »Ich hatte einen Sohn, der in Vietnam ums Leben gekommen ist.
Hat dir Julie je davon erzählt?«
Ich nickte.
»Das hat mich damals hart getroffen. Der Junge hieß Allen. War
ein guter Junge.« Er blickte zur Seite, so daß ich seine Augen nicht
sehen konnte. »Eines Tages
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