Bahama-Krise
aufgestanden und
stemmte sich mit dem Bootshaken gegen die Wandung des anderen Bootes.
»Was wollt ihr?« sagte eine Stimme. Der Akzent war
amerikanisch.
Wie ich vermutete, hatte Sam die Stimme wiedererkannt, denn es
war zuwenig Licht, um ein Gesicht auf diese Entfernung sicher
wahrzunehmen.
»Können Sie uns mit Wasser aushelfen? Wir sind etwas knapp.«
Der Kegel einer Taschenlampe tanzte über unser Boot und kam
auf Sams Gesicht zur Ruhe.
»Kennen wir uns nicht?« sagte Kayles. In seiner Stimme klang
Mißtrauen.
»Schon möglich«, sagte Sam. »Ich arbeite als Hafenmeister auf
New Providence. Vielleicht sind Sie mal durchgekommen bei mir. Der
Hafen beim ›Sea Gardens Hotel‹ westlich von Nassau. Ich bin Sam Ford.«
Er beschattete seine Augen, weil das Licht der Taschenlampe ihn
blendete.
»Jetzt erinnere ich mich. Wasser, sagten Sie?«
»Ja, wenn's auch nur drei oder vier Liter sind. Wir sind
ziemlich durstig.«
»Ich hole Ihnen was rauf«, sagte Kayles. »Haben Sie einen
Kanister oder so was?«
Sam hatte den Rest aus unserem eigenen Kanister vorsorglich
ausgeleert. Er reichte ihn auf das andere Boot hinüber. Kayles nahm das
Gefäß entgegen und verschwand in der Tiefe. »Das Boot gerät ins
Schaukeln. Wenn wir ihn überwältigen wollen, dann geht es nur in dem
Moment, wenn er gerade raufkommt. Ich werde schreien, und dann springst
du ihn an.«
»Bist du sicher, daß es Kayles ist?«
»Todsicher. Es ist seine Stimme. Und er benimmt sich auch
genau wie Kayles. Ein anderer Skipper hätte uns an Bord gebeten.«
»Also gut.«
Das Geräusch einer Handpumpe war zu hören, die drüben auf dem
anderen Boot betätigt wurde. Nach wenigen Minuten brach das Geräusch ab.
»Er kommt!« flüsterte Sam.
Kayles' Boot schaukelte leicht, als er nach oben kam.
»Nett von Ihnen«, sagte Sam. Er hatte den Griff des
Bootshakens verkürzt, so daß nur noch wenig Abstand zwischen den beiden
Booten war.
Als Kayles sich herüberlehnte, um den gefüllten Kanister
zurückzugeben, ergriff Sam statt dem Kanister sein Handgelenk und
versetzte ihm einen kräftigen Ruck. Mit dem anderen Arm rannte er ihm
das Ende des Bootshakens in die Magengrube.
Mit einem Satz sprang ich hinüber. Kayles hatte keine Chance
mehr. Er war erst bis zu den Knien aus dem Cockpit heraus und hatte
nicht genügend Bewegungsfreiheit, um zur Seite zu springen. Während Sam
immer noch sein Handgelenk wie einen Schraubstock umklammert hielt,
stieß ich Kayles meine Knie in den Nacken und drückte ihn mit dem Bauch
an das Lukenkimming.
»Komm an Bord, Sam«, sagte ich schnaufend.
»Was geht da oben vor?« rief Bayliss.
»Halt dich da raus!« rief Sam zurück und kam hinaufgeklettert.
Er knipste das Licht am Kompaß an. Die Plicht wurde in einen sanften
Schimmer getaucht. »Kannst du ihn halten?«
Kayles wand sich unter mir hin und her. »Ich denke schon.«
»Ich hol eine Leine«, knurrte Sam. »Davon sollte es auf einem
Segelboot ja genügend geben.« Mit einer geschickten Bewegung zog er
Kayles das Messer aus dem Gürtel, dann verschwand er backbord.
Kayles war wieder zu Atem gekommen. »Du Schweinehund!«
quetschte er hervor. Dann bäumte er sich auf, so daß ich fast
abgeschüttelt worden wäre. Ich versetzte ihm einen Handkantenschlag in
den Nacken. Wie gelähmt brach er zusammen, ich hoffte inständig, daß
ich ihm nicht das Genick gebrochen hatte.
Dann war Sam mit der Leine zurück. Wir banden Kayles die Hände
auf den Rücken, Sam verknotete die Schnur. Er war ein erfahrener
Segler, so daß an der Qualität seiner Knoten keine Zweifel bestehen
konnten. »Was nun?« fragte ich, nachdem Kayles gefesselt war.
Bayliss, der Fischer, hatte sein Boot etwas abtreiben lassen,
ich erkannte die Umrisse des Kahns gegen die spiegelnde Wasserfläche.
Dann hörte ich, wie der Motor angelassen wurde. Er kam längsseits. »Was
macht ihr mit dem Mann da?« fragte er. »Wenn das rauskommt, kriege ich
Schwierigkeiten.«
Ich wandte mich zu Sam. »Laß uns Kayles unter Deck schaffen,
und dann reden wir mit Bayliss.« Ich überlegte. »Am besten ist, du
sprichst allein mit ihm. Sieh zu, daß du ihn irgendwie beruhigst, wir
brauchen ihn noch.«
Wir faßten den immer noch reglosen Kayles unter und brachten
ihn unter Deck, wo wir ihn auf eine Pritsche legten. Sein Atem ging
stoßweise. »Was soll ich Bayliss erzählen?« fragte Sam.
Ich zuckte die Schultern. »Warum sagen wir ihm nicht die
Wahrheit?«
Sam grinste. »Wer glaubt schon die Wahrheit? Na, mir
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