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Bahners, Patrick

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Titel: Bahners, Patrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Panik-Macher
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werden konnten. Wie schmal die empirische Basis von Greils
Konstruktionen war, wie einseitig die Auswahl der Quellen, hat keiner der
Vorgesetzten bemerkt: der Abteilungsleiter nicht, der Amtschef nicht, der
Minister nicht. Unbeanstandet ging die Pressemitteilung vom 14. Dezember 2005
hinaus, in der das Verstiegene des Projekts offenkundig wird.
    Der Mord an Theo von Gogh, dem erklärten Feind der
islamischen Moral, und Morde an Frauen wie Hatun Sürücü legten den Gedanken
nahe, dass sich nicht nur die Terroristenfahndung mit dem Typus des «Schläfers»
zu beschäftigen hatte, sondern es überall unter den muslimischen Einwanderern
unentdeckte Verfassungsfeinde gab. Es war ein dummer Zufall, dass damals in
einem von sechzehn Bundesländern die Zuständigkeit für das Einbürgerungsrecht
einem Beamten zufiel, der sich als vernunftgläubig beschrieb und den Nachweis
undemokratischer Einstellungen von Gläubigen als Problem der Datenerhebung
und -Verarbeitung anzusehen geneigt war. Dass Grell als Pensionär sein
Eiferertum und seinen Geltungsdrang publik machen musste, hat erst gezeigt,
wie effektiv seine Tarnung gewesen war. In der Presse wurde Innenminister Rech
der Wille zugeschrieben, unwillkommene Eingebürgerte mit kreativen Methoden
wieder loszuwerden. Der «zuständige Referatsleiter Rainer Grell» trat in
diesem Zusammenhang als Repräsentant einer Amtsvernunft auf, die über das
Instrument des Widerrufs der Einbürgerung die statistischen Tatsachen sprechen
ließ: «Ganze vier Fälle gab es von 2002 bis Oktober 2005 im Land, bundesweit
waren es auch nur 84.»
    Verwaltungshandeln und politische Rhetorik machen die
Motive der entscheidenden Personen hinter allgemeinen Gesichtspunkten unsichtbar.
Es ist die Ausnahme, dass ein Mann wie Grell uns über seine Obsessionen
informiert. Bedenklich ist, dass Ministerpräsident Oettinger und Innenminister
Rech in ihren Reden im Bundestag und im Landtag den Schein der Rationalität
wahren konnten, als die Korrektur in der Praxis längst eingeleitet war. Die
Handschrift des Referenten prägte noch die Reden, die, wie Grell
verständlicherweise meinte, die Pointe seines Werks unkenntlich machen wollten.
So bekundeten die Politiker ihren guten Willen, was dem Mann der Fachebene
«reichlich abstrakt» vorkam. Aber das Konkrete, das beispielshalber erwähnt
wurde, waren immer noch die Daten, die den Verhörplan legitimiert hatten. Die
kritische Masse von 21 Prozent! Was für die Geodäten das 1799 hergestellte
Urmeter im Tresor des Internationalen Büros für Maß und Gewicht in Sevres bei
Paris ist, das war für den Islam-Tester Grell dieser im Islam-Archiv zu Soest
archivierte Einzelwert aus einer Umfrage des Frühjahrs 2004. Der Zahlenzauber
eines einzelnen, aus jedem Kontext gerissenen demoskopischen Ergebnisses: Das
ist die Scheinevidenz, mit der höchste amtliche Stellen im Staat der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung Stimmung gegen Muslime machten.
     
    Greils Krieg
     
    Am 4. Februar
2006, in Eningen auf der Schwäbischen Alb, fand die 21-Prozent-Wahrheit doch
noch einen Mutigen in der Landesregierung, der öffentlich sagte, was nach der
Logik des Muslim-Tests aus ihr folgte. Europaminister Willi Stachele sagte auf
einer Wahlkampfveranstaltung der CDU: «Der Kollege Innenminister Rech hat mir
gesagt, mittlerweile haben wir tatsächlich von den hier lebenden Moslems 21
Prozent, die sagen, der Koran ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar - das
macht mich schon stutzig. Die 21 Prozent sollen gefälligst wieder weggehen. Das
sag' ich in aller Deutlichkeit, und da nehm' ich auch kein Blatt vor den Mund.»
Der Staatsminister machte einen Vorschlag zur Ergänzung des
Gesprächsleitfadens: «Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass ich mich am
Schluss entschuldigen muss für das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.
So geht's net. Da muss die erste Frage sein: Zählen Sie zu denen, die Schmerzen
empfinden, wenn sie vom Grundgesetz hören? Ja? Hier isch die Fahrkart! » Die
Weisheit des alten Laotse, die Grell so wertvoll ist, wurde diesmal vom Gang
der Dinge nicht bestätigt. Das Aussprechen der Wahrheit schadete Stachele
nicht. Die Antwort des Staatsministeriums auf die Frage der Grünen, welche
Konsequenzen die Landesregierung aus den Äußerungen des Staatsministers ziehen
werde, lautete: «Keine». Willi Stachele ist seit 2008 Finanzminister des Landes
Baden-Württemberg.
    Der Leitende Ministerialrat a.D. Rainer Grell engagiert
sich heute im

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