Bahners, Patrick
badenwürttembergischen Landesverband der Bürgerbewegung Pax
Europa e.V. Diese Vereinigung, deren Held der niederländische Parteigründer
Geert Wilders ist, entstand 2008 durch die Fusion der organisierten
Moscheegegner vom Bundesverband der Bürgerbewegungen mit Udo Ulfkottes Verein
Pax Europa. Unter Protest gegen einen «zunehmend extremistischen Kurs» trat
Ulfkotte kurz nach der Vereinigung aus. Er nahm Anstoß an Karikaturen, die
Muslime als Schweine und Pädophile zeigten, und warnte: «Wenn solche
Entgleisungen nicht endlich aufhören, könnte Pax Europa bald im
Verfassungsschutzbericht landen - und zwar zu Recht.» So könnte die spät
gefundene politische Heimat Greils, der im Vorwort seines Buchs noch angab, nie
einer Partei angehört zu haben, zum Thema für seine früheren Kollegen werden.
Das Schreiben ist dem Pensionär Grell zur Passion geworden. Er muss keinen
Dienstweg mehr einhalten und richtet regelmäßig Briefe an Repräsentanten des
Staates wie den Bundespräsidenten und die Integrationsbeauftragte der
Bundesregierung. Er tritt als Gastautor in Henryk M. Broders Blog «Die Achse
des Guten» auf, ist sich aber auch nicht zu fein, sich im Gästebuch von «Hart
aber fair» zu Wort zu melden. Dort rügt er den Moderator, wenn Frank Piasberg
in den «Jargon der MM» verfällt, der «Mainstream-Medien». Mit Stolz gebraucht
Grell heute statt der Amtssprache eine andere Minderheitssprache.
Die in Greils «Dichtung und Wahrheit», diesen Bruchstücken
einer groben Konfession, offenbarten Einstellungen können freilich durchaus
auf Unterstützung auch im bürgerlichen Publikum zählen: die Unduldsamkeit gegenüber
starken, mit den modernen Lebensumständen nicht einfach vereinbaren
Überzeugungen; die Bereitschaft, Gewaltverbrechen als Exzesstaten zum Schutz
solcher Überzeugungen zu deuten; das aggressiv simple Selbstverständnis eines
Schutzpolizisten der Aufklärung, der einer Minderheit zu verstehen gibt, sie
sei selbst schuld, wenn sie sich verdächtig mache. Die nachhaltige Resonanz der
Islamkritik hat sehr viel damit zu tun, dass säkulare Religionsverächter und
christliche Kreuzritter an ihrem Bündnis noch nicht irregeworden sind.
Achtzehn Jahre vor der Einführung des Muslim-Tests hatte
Rainer Grell schon einmal aus der Anonymität des Beamtendaseins heraustreten
müssen. Anfang 1988 informierte die badenwürttembergische
Datenschutzbeauftragte Ruth Leuze die Öffentlichkeit darüber, dass das
Innenministerium die Namen von 159 Kritikern der Volkszählung von 1987 in einer
Datei für Staatsfeinde und Terroristen gespeichert hatte. Diese Personen hatten
beispielsweise bei Demonstrationen leere Volkszählungsbögen mit sich geführt
oder Werbeplakate für die Volkszählung zerrissen. Ministerpräsident Späth
beeilte sich, die Einschätzung kundzugeben, die Maßnahme sei wohl nicht in
Ordnung gewesen. Grell, Ministerialrat in der Polizeiabteilung des Innenministeriums,
hatte der Datenschutzbeauftragten da schon entgegengehalten, die meisten
Terroristen hätten «mal mit Kleinigkeiten angefangen». Er hatte selbst als
Referent in der badenwürttembergischen Aufsichtsbehörde für den Datenschutz
gearbeitet und 1980 sogar einen Kommentar zum Datenschutzgesetz des Landes
veröffentlicht. In Band 19 der Schriften der Stabsstelle für die
Verwaltungsreform lesen wir: «Grundmuster können immer wieder auftauchen, wenn
ein Stichwort oder ein Erlebnis Anlass dazu geben und sich in dieser Wiederholung
weiter verfestigen.» Wir erkennen in der Affäre von 1988 das Grundmuster, das
2006 wieder auftauchte: Terroristen fangen klein an, islamistische Terroristen,
indem sie in der Schule nicht mit Mädchen spielen und den Religionsunterricht
schwänzen, wenn die Klassiker der Islamkritik durchgenommen werden. Das
Grundmuster begegnet auch in dem Artikel von Michael Bertrams aus der E A. Z.,
ohne den es vielleicht nie einen Muslim-Test in Baden-Württemberg gegeben
hätte. Der letzte Satz des Kurzaufsatzes ist kein juristischer Schluss, sondern
ein geflügeltes Wort aus der antiken Medizin, das in Deutschland seit 1945
gewöhnlich auf die Gefahr einer Wiederkehr des Jahres 1933 bezogen wird.
Übrigens erfreute sich das Grundmuster in dieser rhetorischen Variante großer
Beliebtheit bei den Volkszählungsgegnern. Im Kampf gegen das Kopftuch ging es
laut Bertrams darum, «den Anfängen zu wehren».
KAPITEL 6
Aussichten auf den Bürgerkrieg. Die Zerstörung der Alltagsvernunft
Werner. Unsere
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