Bahners, Patrick
die Legitimität des Gerichts
bestritten und für den Fall seiner Freilassung die unverzügliche
Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes angekündigt hat. Ayaan Hirsi Ali ist aus
der niederländischen Politik ausgeschieden und in die Weltpolitik gewechselt.
Die Politikberaterin leitet ihre Maximen aus der Räson eines aufgezwungenen
Krieges ab. Aber wo die Regierungen alles daran setzen, Männer wie Bouyeri zu
isolieren, ihre Unterstützermilieus auszutrocknen und die Triftigkeit ihrer
Koraninterpretationen zu bestreiten, da erklärt Hirsi Ali jeden Muslim zum
Feind. Im November 2007 verkündete sie in einem Interview mit «Reason», einer
Zeitschrift des radikalindividualistischen Konservatismus, dass der Islam besiegt
werden müsse. Der Interviewer, der aus Holland stammende Blogger Rogier van
Bakel, legte ihr eine Präzisierung nahe. Gemeint sei ja wohl der radikale
Islam? «Nein, der Islam. Punkt.» Erst nach der Niederlage könne der Islam sich
vielleicht in etwas Friedliches verwandeln.
Unter dem Motto «Proliberty, antinannies» bekämpft Van
Bakels Blog «Nobody's Business» den vormundschaftlichen Fanatismus frommer
Muslime mit sarkastischem Pathos. Auf seinem Autorenfoto trägt er den
Bombenturban aus der bekanntesten dänischen Mohammed-Karikatur. Aber an dieser
Stelle des Interviews musste er ungläubig nachfragen. Wie solle man sich das
denn konkret vorstellen: 1 ,5 Milliarden Muslime zu besiegen? Hirsi Ali kam es weniger
auf die konkrete Vorstellbarkeit als auf den abstrakten Gedanken an. «Wir
befinden uns im Krieg gegen den Islam. Und im Krieg gibt es keinen Kompromiss.»
Dass Präsident Bush bei etlichen Gelegenheiten versichert hatte, der Islam sei
nicht der Kriegsgegner, war für Hirsi Ali Defätismus. «Wenn der mächtigste Mann
des Westens so redet, vermittelt er den radikalen Muslimen den Eindruck, sie
hätten schon gewonnen.» Der abstrakte Duktus von Hirsi Alis Kriegskunde lenkte
davon ab, dass sie von einer speziellen Form des Krieges sprach. Dass es im
Krieg keinen Kompromiss («no middle ground») gibt, gilt nur bis zur Aufnahme
von Friedensverhandlungen. Mit den Muslimen aber soll man nicht verhandeln
können. Das historische Gesetz, dass jede Konfliktpartei einen mehr oder minder
entschiedenen und einen mehr oder minder flexiblen Flügel hat, wird vom Islam
außer Kraft gesetzt. Es gibt in Hirsi Alis Worten radikale Muslime, aber keine
moderaten, nur passive, die nicht alle Regeln befolgen. «In Wirklichkeit gibt
es nur einen Islam, der als Unterwerfung unter den Willen Gottes definiert ist.
Er hat nichts Gemäßigtes an sich.» Ein liberaler und aufgeklärter Islam, ja,
selbst ein quietistischer und introvertierter muss dann Einbildung und
Täuschung sein.
Das Prinzip der Taqiya
Es ist ein islamkritischer Glaubenssatz, dass der
islamische Glaube die Lüge erlaubt und sogar gebietet, wenn es um seine
Ausbreitung geht. Für diese fixe Idee steht das Wort Taqiya - die
wirkungsvollste Parole der Islamkritik. Ignaz Goldziher, einer der Begründer
der Islamwissenschaft, hat dem «Prinzip der Takijja im Islam» 1906 eine kurze
Abhandlung in der «Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft»
gewidmet. Das Wort begegnet in den Korankommentaren als «terminus
technicus für die entschuldbare Bekenntnisverletzung». Die Islamkritik
unterschlägt die für die von Goldziher geschilderte moraltheologische
Diskussion verbindliche Prämisse: Wenn erörtert wird, ob der Gläubige den
Glauben verleugnen darf, ist vorausgesetzt, dass eine Situation äußerster
Bedrängnis gegeben ist. Es geht somit um die islamische Fassung des
moralphilosophischen Problems der Notlüge in Lebensgefahr. Im 108. Vers der
achten Sure wird von Allahs Zorn gegen die Apostaten derjenige ausgenommen,
der zum Abfall «gezwungen wird, während sein Herz fest im Glauben verharrt».
Ein solcher entschuldigter Leugner soll Ammar ben Jasir gewesen sein, einer der
ersten Anhänger Mohammeds, den die Heiden nötigten, den Propheten zu schmähen.
Als er Mohammed seine Gewissensnot gestand, empfing er der Überlieferung
zufolge die Weisung: «Wenn nur dein Herz beim Glauben ausharrt, so tue nur
wieder dasselbe, wenn sie dich nochmals bedrohen sollten.»
Goldziher führt aus, dass die Tradition der Worte und
Taten des Propheten in diesem Punkt nicht einhellig ist. Als Vorbilder werden Getreue
Mohammeds hingestellt, die sich lieber töten ließen als das Glaubensbekenntnis
zu widerrufen. Es gibt Autoren, die den
Weitere Kostenlose Bücher