Bahners, Patrick
Vorfahren zogen fleißig
wider den Türken; und das sollten wir noch tun, wenn wir ehrliche Kerls, und
gute Christen wären.
Minna von Barnhelm, Erster Akt, Zwölfter Auftritt
Wenn Bassam Tibi einen Vortrag hält, kommt es regelmäßig
vor, dass in der Diskussion Zuhörer das Wort ergreifen, die sich als Muslime zu
erkennen geben und Widerspruch anmelden. Höflich, aber bestimmt setzen diese
Kritiker dem Redner auseinander, er habe den Koran zu eng ausgelegt. Oder nicht
eng genug. Er verkenne die Spielräume der zeitgenössischen Fortschreibung
reformtheologischer Ansätze aus älterer Zeit. Beziehungsweise die Möglichkeit,
im Rückgriff auf den lebendigen Urtext der Offenbarung alle versteinernden
Traditionen zu überspringen. Wenn Tibis Antwort die Zweifler nicht überzeugt,
setzen sie vielleicht später noch einmal nach, mit einem Brief, einem
Blogeintrag oder einer Rezension. Glauben wir Ayaan Hirsi Ali, dann verstoßen
solche islamischen Kritiker der Islamkritik gegen die Gebote der Religion, die
sie zu verteidigen meinen. Der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» sagte die
Buchautorin 2006: «Wenn Sie in liberalen Gesellschaften einem Wissenschaftler
widersprechen möchten, brauchen Sie eine bessere Theorie, stichhaltigere
Belege. Und wenn die nicht gut genug sind, gehen Sie eben nach Hause und lecken
ihre Wunden, aber Sie gehen nicht los und töten den anderen, wie es die
Philosophie des Islam vorschreibt.» Es ist demnach Narrheit, wenn nicht gar
gotteslästerliches Hinweglesen über einen göttlichen Befehl, den Propheten des
Euro-Islam mit dessen eigenen Waffen schlagen zu wollen, mit philologischen
und historischen Argumenten. Allah hat für solche Zwecke andere Waffen
vorgesehen. Waffen im wörtlichen Sinne. Der gottgefällige Weg der Auseinandersetzung
mit Tibi führt den Gläubigen, der dem von Hirsi Ali beschriebenen Islam
anhängt, ins Internet, wo er eine Bezugsquelle für Sprengstoff sucht oder
wenigstens die Kontonummer einer Tarnorganisation von Al Qaida. Was soll das
für eine Philosophie sein, die Widerlegung als Ermordung definiert? Eine Philosophie
für eine verkehrte Welt, eine Philosophie aus der Hölle.
Mohammed Bouyeri, der am 26. Juli 2005 wegen Mordes an
Theo van Gogh und Verschwörung zum Mord an Ayaan Hirsi Ali zu lebenslanger
Haft verurteilt worden war, hielt am 2. Februar 2006 im Prozess gegen seine
Mitverschwörer mit Erlaubnis des Gerichts eine dreistündige Rede über die
Gründe seiner Tat. Er legte dar, dass der Prophet Mohammed immer wieder die
Anwendung von Gewalt gegen Ungläubige gefordert habe, und ließ sich in allen
Einzelheiten zu den erlaubten Tötungsmethoden ein. Nicht nur den Koran und die
gesammelten Aussprüche Mohammeds zitierte er, sondern auch westliche
Autoritäten, darunter Piaton und Machiavelli. Ruud Peters, Professor für
islamisches Recht an der Universität Amsterdam, der als Sachverständiger an den
Prozessen gegen Bouyeris Netzwerk beteiligt war, gab an, dass ihm viele der von
Bouyeri angeführten Quellen und Argumente unbekannt gewesen seien.
Offensichtlich habe er alles wiedergegeben, was er sich in der Bibliothek des
Hochsicherheitsgefängnisses angelesen habe. Dieser Studienabbrecher, der sein
Plädoyer des Hasses auf Arabisch hielt, in ein altmodisches schwarzes Gewand
gehüllt und mit einem rot-weißen Schal um den Kopf, ist für Hirsi Ali ein
authentischer Korangelehrter. Der Mann, der sie mit dem Tode bedroht hat, gab
vor Gericht die Wahrheit über die Religion zu Protokoll, in der sie eine
tödliche Bedrohung für die ganze Welt sieht.
Ein Defätist namens George W. Bush
Die von Bouyeri verbüßte lebenslange Freiheitsstrafe kann
nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Der 1978 in Amsterdam geborene Sohn von
Einwanderern aus Marokko ist, von Kriegsverbrechern abgesehen, erst der
achtundzwanzigste Verurteilte, der seit 1945 mit dieser Höchststrafe belegt
worden ist. Seit 2004 kann sie auch gegen die Anführer terroristischer Banden
verhängt werden. Der Staatsanwalt hat den Mörder van Goghs in seinem Plädoyer
als Staatsfeind beschrieben. Bouyeri wolle die Demokratie mit Gewalt
beseitigen und halte im staatlichen Gewahrsam unverdrossen an dieser Absicht
fest. Daher müsse ihm im wörtlichen Sinne ein Platz außerhalb der Demokratie
angewiesen werden: Er müsse lebenslang eingesperrt werden und das aktive und
passive Wahlrecht verlieren. Die Strafhaft des Mörders ohne Reue ist zugleich
die Internierung eines Dschihadisten, der
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