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Bahners, Patrick

Bahners, Patrick

Titel: Bahners, Patrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Panik-Macher
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entschärfen. Eine Ächtung grausamer
Strafen ließe «das eigentliche Grundprinzip» intakt, «die religiöse
Normsetzung». Rohe definiert die Scharia als «die Gesamtheit aller religiösen
und rechtlichen Normen, Mechanismen zur Normfindung und Interpretations- Vorschriften des Islam». Er will damit ausdrücken, dass die
Scharia kein Normensystem nach Art einer Kodifikation ist, wie der «Zeit»-Herausgeber
Josef Joffe voraussetzte, als er verkündete, die Debatte um die Islamkritik
erledige sich, sobald man frage, ob man der Scharia den Vorzug geben wolle oder
dem BGB. Was das Prinzip der Scharia angeht, stimmt Rohe mit der Islamkritik
überein: Das Wort bezeichnet nicht mehr als den Grundsatz, dass das gesetzte
Recht mit der Offenbarung harmonieren soll, beziehungsweise umgekehrt, dass
die religiösen Pflichten für den Gläubigen auch rechtliche Verbindlichkeit
gewinnen. «Die» Scharia, die anstelle des Grundgesetzes in Deutschland
eingeführt werden könnte, liegt also in keiner Schublade parat.
    Auch wer dem Erzbischof von Canterbury im
rechtspolitischen Ergebnis nicht folgt, kann in der Rechtlichkeit der
Glaubenswelt, die der Begriff der Scharia als Wesensmerkmal islamischer
sozialer Ordnung auszeichnet, einen Grund dafür sehen, den Muslimen, wenn man
denn so allgemein reden will, eine positive Integrationsprognose auszustellen.
Das bloße Bekenntnis zum Gesetzesgehorsam macht noch nicht den Rechtsstaat. Er
ist angewiesen auf die Rechtsgesinnung seiner Bürger, auf die zur Einstellung
verfestigte Einsicht, dass die Forderungen des guten Lebens mit gutem Grund die
Form von Rechtspflichten annehmen. Neda Kelek findet nun aber gerade in Rohes
Scharia-Definition die Denkungsart bezeichnet, von der kein Weg zur
rechtsstaatlichen Gesinnung führe. Die Scharia koppelt «rechtliche Regelung» an
«religiöse Verpflichtung». Ihr ist schleierhaft, so Kelek sarkastisch, wie
«sich das mit dem Rechtsstaat vereinbaren lässt, nach dem ein Bürger dieser
Republik die Gesetze zu befolgen hat, die von gewählten und damit legitimierten
Abgeordneten verabschiedet werden». Im Kölner Moscheenstreit hatte Giordano
die Muslime mit einem Normsystemvergleich in mittelalterlicher Manier
herausgefordert: «Ich lese den Koran - und verstumme. Eine Lektüre des
Schreckens und der Fassungslosigkeit, mit ihren unzähligen Wiederholungen,
Ungläubige zu töten, besonders aber Juden. Ich frage mich, wie jemand, dem der
Koran, diese Stiftungsurkunde einer archaischen Hirtenkultur, heilig ist, auf
dem Boden des Grundgesetzes stehen kann.» Es ist nach Giordano also der Inhalt
des Korans, der es dem gläubigen Muslim unmöglich macht, sich ohne
Selbstverleugnung zum Grundgesetz zu bekennen. Wäre den arabischen Hirten ein
Gesetzbuch der Völkerfreundschaft offenbart worden, sähe Giordano im Islam
kein Problem.
    Necla Kelek sieht das anders. Der Norminhalt einzelner als
Bestimmungen der Scharia ausgegebener Normen ist in ihren Augen nur sekundär
problematisch. Das wahre Problem ist die Normquelle. Dass der gläubige Muslim
einem von Gott gesetzten Recht folgt, macht ihn als Staatsbürger ungeeignet,
zum Verfassungsfeind aus Gottestreue. Das gilt, noch bevor sich die Frage
stellt, ob der Gläubige die von ihm als unbedingt verbindlich erkannten Regeln
auch seinen Mitbürgern vorschreiben will. Es gilt unabhängig davon, ob diese
Regeln nur die Formen der Gottesverehrung oder auch das bürgerliche Leben betreffen,
und vor allem unabhängig davon, ob sie mit den Regelungen des bürgerlichen
Lebens in den bürgerlichen Gesetzbüchern inhaltlich übereinstimmen oder nicht.
Kelek kann keine Stärkung des Rechtsstaats darin erkennen, dass die Frommen der
unterschiedlichsten Religionen zusätzliche Gründe zum Gehorsam gegenüber dem
staatlichen Recht haben, weil die Verbote von Mord, Diebstahl und falschem
Zeugnis auch von ihren Göttern als unverrückbare Rechtsnormen statuiert worden
sind. Sie postuliert nicht nur einen Vorrang des säkularen Gesetzes. Nur bei
dem durch gewählte Volksvertreter gesetzten Recht soll es sich überhaupt um
Recht handeln. Gemäß der Vermutung, dass alle prägnanten Begriffe der
Staatslehre aus der Theologie stammen, handelt es sich bei dieser Theorie des
Rechtsstaats um eine rechtspositivistische Ableitung des Monotheismus. Die
republikanische Legislative sagt dem Bürger: Wir sind das Volk, dein
Gesetzgeber; du sollst keine anderen Gesetzgeber neben uns haben.
    Kelek propagiert eine Säkularisierung des

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