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Bahners, Patrick

Bahners, Patrick

Titel: Bahners, Patrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Panik-Macher
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welches Recht die deutschen Behörden und
Gerichte anzuwenden haben, wenn ein Sachverhalt mehrere Rechtsordnungen
berührt. Rohe paraphrasierte den Artikel 13 des EGBGB. «Die Voraussetzungen der
Eheschließung unterliegen für jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er
angehört.» Entsprechendes bestimmen die folgenden Artikel für die allgemeinen
Ehewirkungen, den Güterstand und die Scheidung. Den Hinweis Rohes, Spanien
habe «in seinem neuen Personenstandsrecht die islamische Form der Eheschließung
als Option anerkannt», erläuterte Alice Schwarzer 2007 in einem Artikel zum
«Frankfurter Justizskandal» mit der Parenthese «also die Polygamie» - ohne sich
darüber zu wundern, dass Proteste spanischer Feministinnen ausgeblieben waren.
Es ging um den Akt der Eheschließung nach islamischem Recht, den Vertragsabschluss
in Gegenwart zweier vertrauenswürdiger Zeugen.
    Artikel 6 des EGBGB
deklariert, dass die Anwendung ausländischen Rechts stets unter dem Vorbehalt
der deutschen Öffentlichen Ordnung, des Ordre public, steht: «Eine Rechtsnorm
eines anderen Staates ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis
führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich
unvereinbar ist. Sie ist insbesondere nicht anzuwenden, wenn die Anwendung mit
den Grundrechten unvereinbar ist.» Im FR-Interview erläuterte Rohe, dass etwa
eine einseitige Verstoßung der Ehefrau ohne Trennungsphase in diesem Sinne
unerträglich wäre. Er betonte die «Letztherrschaft des Verfassungsrechts» und stellte
fest, dass die Übernahme der Körperstrafen der Scharia ins deutsche Strafrecht
selbst bei einer muslimischen Bevölkerungsmehrheit mit dem Grundgesetz
unvereinbar wäre - dass er aber auch noch keinen Muslim getroffen habe, der
diese Strafen hier einführen wolle. Nach der Todesstrafe für Apostaten gefragt,
verwies Rohe zunächst auf die historisch-kritische Umdeutung des Delikts zum
Hochverrat in der modernen islamischen Rechtswissenschaft. Dass diese Auskunft
die säkulare Öffentlichkeit nicht zufriedenstellen konnte, hielt er für vernünftig:
Das bloße Vorhandensein der Norm in den Quellen sei ein «rechtskulturelles
Problem», auch wenn der Glaubensabfall nur noch in den rückständigsten Ländern
verfolgt werde. «Deswegen wünsche ich mir sehr, dass die Muslime in Europa die
Scharia auf solch heikle Punkte hin untersuchen und sich auf eine
Interpretation verständigen, die mit unserem Grundgesetz und den europäischen
Menschenrechtsgrundsätzen vereinbar sind.»
     
    Verfassungsfeinde aus Gottestreue
     
    Der Erzbischof von Canterbury hat Hass und Spott auf sich
gezogen, weil er darüber nachzudenken anregte, ob das englische gemeine Recht
der Scharia für geeignete Materien den förmlichen Status eines wahlweise
verfügbaren alternativen Rechtsweges einräumen könnte. Ein Grundgedanke des
Internationalen Privatrechts begegnet hier in der britischen Variante einer in
imperialen Zusammenhängen bewährten Maxime des Gewährenlassens: Man lässt
Minderheiten in Angelegenheiten, die keine Außenstehenden betreffen, das Recht
anwenden, das sie aus ihrer Herkunftswelt mitgebracht haben. Im Milieu der
Islamfeinde gilt Rowan Williams seitdem als weltfremder Schwachkopf, als
rauschebärtige Verkörperung der Malaise des alten Europa. Dabei kann man
ernsthaft allenfalls darüber diskutieren, ob die in Jahrhunderten erprobten
Erfahrungsregeln freundlicher Koexistenz, von denen sich der Waliser Williams
bei seinem Vorschlag leiten ließ, den heutigen Bedingungen der Existenz
muslimischer Minderheiten in Europa noch angemessen sind: ob nicht in die
meisten vermeintlichen Binnenkonflikte Außenverhältnisse hineinspielen, so dass
einem Sonderrecht der abgesonderte Geltungsbereich abginge, ob nicht die
dauerhafte Ansiedlung eingewanderter Muslime es verbietet, sie nach dem Muster
von Kaufmannskolonien zu behandeln. Die Vorstellung aber, aus dem Inhaber des
Bischofsstuhls des Augustinus von Canterbury und Ehrenvorsitzenden der
anglikanischen Weltgemeinschaft spreche nicht eine möglicherweise
anachronistische Staatsklugheit, sondern Naivität, verrät ihrerseits eine
Naivität, die charakteristisch ist für die Islamkritik, nicht nur in den
vulgären Varianten.
    Neda Kelek warnt davor, beim Begriff der Scharia «allzu
schnell» an «Steinigungen und Peitschenhiebe» zu denken.
Das Ausmalen dieser Greuelbilder könnte die Illusion nähren, die Scharia sei
durch humanitäre Strafrechtsreformen zu

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