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Bahners, Patrick

Bahners, Patrick

Titel: Bahners, Patrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Panik-Macher
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die Vergröberung gleich
selbst. In der «Süddeutschen Zeitung» ließ er sich mit der Aussage zitieren,
nach dem Herausrechnen anderer faustlockernder Faktoren bleibe «ein signifikanter
Zusammenhang zwischen Religiosität und Gewaltbereitschaft». Die Studie sagt
das Gegenteil. In der empirischen Sozialforschung ist «signifikant» ein terminus
technicus. Die Autoren legen dar, zwar steige mit stärkerer
religiöser Bindung die Gewaltbereitschaft tendenziell an. Da «dieser
Zusammenhang aber als nicht signifikant ausgewiesen» werde, sei von keinem
unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Religiosität und der Gewaltdelinquenz
auszugehen. Wie soll man Pfeiffers seltsame Bearbeitung der eigenen Arbeitsergebnisse
charakterisieren? Er hat sie warenförmig gemacht. Islamkritische Meinungen
gehen gut.
     
    Das angekündigte Erdbeben
     
    Um das Maximum an Aufmerksamkeit zu erzielen, verband
Pfeiffer die Ankündigung der Publikation seiner Studie mit der Information,
dass er sie zunächst noch nicht publizieren könne. Die «Rheinische Post»
zitierte eine Mitteilung Pfeiffers aus dem Januar 2010: «Der Befund ist zwar
eindeutig, aber vor der Veröffentlichung müssen wir uns erst noch mit dem
Bundesinnenministerium abstimmen, wie wir die brisanten Ergebnisse öffentlich
darstellen, ohne ein Erdbeben auszulösen.» Wie immer diese Abstimmung
ausgesehen haben mag (dem Ministerium wird schwerlich recht gewesen sein, dass
Pfeiffer den Eindruck erweckte, im Hause Schäuble erwarte man bei heiklen
Auftragsforschungen die Absprache von Sprachregelungen): Bei der öffentlichen
Darstellung der Ergebnisse engagierte sich Pfeiffer keineswegs als
Brisanzbremser. Nach langen Jahren des Seismographendienstes muss die
Versuchung übermächtig gewesen sein, einmal als Erdbebenmacher zur Tat zu
schreiten. Nach getaner Tat wechselte er prompt wieder in die Pose des
Naturforschers. Als die erwartete Aufregung da war, ließ er wissen: «Ich bringe
nur Fakten an den Tag.» Aus dem Munde eines Sozialwissenschaftlers, zumal wenn
er mit Umfragen arbeitet, ist dieser Satz eine Dreistigkeit. Der «etwas
religiöse» und der «sehr religiöse» junge Muslim sind Typen, die durch
Pfeiffers Untersuchung definiert werden. Befragt wurden Fünfzehnjährige.
    Der Einstufung nach Frömmigkeitsgraden lagen die Antworten
auf vier Fragen zugrunde: nach der Häufigkeit des Betens und des Besuchs des
«Gotteshauses», nach der Wichtigkeit der Religion in der elterlichen Erziehung
und im persönlichen Alltag. Aufgrund dieser Selbstauskünfte wurden 25 ,4 Prozent der befragten Muslime als «sehr religiös»
eingeordnet, aber nur 3,4 Prozent
der Christen. Umgekehrt lag der Anteil «nicht religiöser» Befragter unter den
Katholiken bei 27,0 Prozent und unter den Sunniten bei 1,5 Prozent. Die Religion
hat also für die jungen Muslime eine viel größere Bedeutung als für ihre
christlichen Mitschüler. Allerdings klafft diese Schere bei der subjektiven
Einschätzung der Wichtigkeit der Religion sehr viel weiter auseinander als bei
der Erfüllung objektiver Pflichten. Insoweit bestätigt die KFN-Studie die
Doktorarbeit von Neda Kelek. In der Gruppe der sehr Religiösen gehen 14 ,9 Prozent der Muslime einmal wöchentlich in die Moschee und 7,5 Prozent der Christen, also genau halb so viele, einmal
wöchentlich in die Kirche. Als sehr wichtig für den Alltag bezeichnen den
Glauben merkwürdigerweise nur 7,9 Prozent
der sehr religiösen Christen, aber 59 ,2 Prozent
der sehr religiösen Muslime. Muslimische Religiosität erweist sich also bei den
von der KFN-Studie erfassten Jugendlichen ganz entscheidend als eine Sache der
Selbstzuschreibung. Nicht nur haben sich die Forscher auf die Angaben der
Befragten verlassen, ohne objektive Kontrolldaten zu erheben. Im
Selbstverständnis steht das individuelle Bekenntnis zu einer pauschalen
Lebenswichtigkeit der Religion auch ganz eindeutig im Vordergrund gegenüber
der förmlichen Observanz. Nur jeder Fünfte der sehr religiösen Muslime betet
täglich, obwohl das fünffache Ritualgebet eine der fünf Säulen des Islam ist.
Es liegt nahe, dass ein Jugendlicher gerade dann geneigt sein mag, religiösen
Geboten eine überragende, aber nicht näher bestimmte Wichtigkeit zuzusprechen,
wenn er weiß, dass er sich mit der Einhaltung weltlicher Gesetze eher schwertut
- und dass er sich Fragen zu diesem Thema zu stellen hat. Indem er sich als
religiös beschreibt und damit die Erfüllung der in der Herkunftswelt seiner
Familie

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